Wie sich Solidarität in offenen Gesellschaften konstituiert: Internationale Tagung der KU

Die Flüchtlingsthematik hat Solidarität als Begriff in den vergangenen Monaten besonders in den Fokus gerückt, aber auch in der Europa- und Sozialpolitik ist er stets präsent. Unter dem Titel „Solidarity in Open Societies“ widmete sich in der vergangenen Woche eine internationale Tagung in der Katholischen Akademie in München diesem zentralen Konzept der angewandten Ethik. Die Konferenz war ein Kooperationsprojekt der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt mit der Universität Freiburg. Interdisziplinarität zeichnete nicht nur Vortragende und Tagungsteilnehmer aus, sondern auch die Organisatoren: Prof. Dr. Jörg Althammer (Ökonom und Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik und Sozialpolitik an der KU) arbeitete zusammen mit Ursula Nothelle-Wildfeuer (Theologin und Professorin für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Freiburg). „Das Prinzip der Solidarität ist theoretisch noch sehr unbestimmt und wenig durchleuchtet“, erklärt Althammer die Intention der Veranstaltung.

Die Konferenzidee sei zwar bereits vor fast zwei Jahren und damit vor der Flüchtlingskrise geboren, erklärte Prof. Dr. Jörg Althammer in seiner Eröffnungsrede. Aber die aktuelle Entwicklung  unterstreiche die Bedeutung der Konferenz. Die Willkommenskultur in Deutschland sei nämlich ebenso eine Facette von Solidarität wie der Aufschwung nationalistischer Parteien und Bewegungen in ganz Europa – allerdings seien die dahinterstehenden Konzepte von Solidarität unterschiedlich. Dem Ansatz der internationalen Solidarität bzw. der Solidarität in offenen Gesellschaften, den man auch bei dieser Tagung verfolge, stehe als Gegenentwurf die Solidarität innerhalb geschlossener Gruppen als älteres Konzept gegenüber. Ziel der Tagung sei daher die intensive Auseinandersetzung mit Aspekten eines umfassenden und breiten Verständnisses von Solidarität im Sinne einer „Solidarität mit Fremden“, wie sie der Soziologe Hauke Bunkhorst nannte.

Die rund 70 Tagungsteilnehmer befassten sich zwei Tage lang aus theoretischer und empirischer Perspektive mit dem Prinzip Solidarität und brachten dabei die Sichtweisen ihrer jeweiligen Disziplinen in den Diskurs ein: Philosophen und Theologen trafen auf Ökonomen, Juristen und Sozialwissenschaftler. Die Referenten stammten aus Deutschland, den USA, Dänemark, Finnland, Norwegen, Großbritannien, Frankreich und Rumänien. Ähnlich abwechslungsreich wie die fachliche und nationale Heimat der Referenten waren auch ihre Themen: Braucht die Euro-Zone ein gemeinsames Arbeitslosenversicherungssystem? Schaden Health Apps der gesellschaftlichen Solidarität? Wie ist Solidarität in kosmopolitischen, offenen Gesellschaften ganz grundsätzlich zu denken? Ein besonderer Fokus lag auf der Thematik Migration und Integration von Migranten. 

Höhepunkte des Programms waren vier Keynote-Reden von international renommierten Wissenschaftlern: Philosophin Prof. Dr. Véronique Munoz-Dardé von der University Berkeley sprach über „Solidarities“, der Jurist Prof. Dr. Thomas Kohler vom Boston College betrachtete „Solidarity  from an American Perspective“ und der Philosoph Prof. Dr. Vittorio Hösle von der Notre Dame University machte sich Gedanken zu „The Ethics of Migration“. Den Abschluss der Tagung bildete die Ökonomin Prof. Dr. Margit Osterloh mit der Frage „Migration Policy: What can we learn from Cooperatives?“. Die Beiträge werden sich ab Mitte November zum Nachhören sich auf der Tagungshomepage unter www.solios.de finden.