Zum Tode von Prof. Dr. Harald Dickerhof

Am 9. September verstarb Prof. Dr. Harald Dickerhof, langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte an der Katholischen Universität, nach längerer Krankheit. Seine peregrinatio academica hat ihn von der Pfalz an die Universität München geführt, wo er Anglistik und Geschichte studierte, um sodann, nach einem kurzen Abstecher nach Köln, in Eichstätt sein zentrales Wirkungsfeld zu erhalten. Als Herr Dickerhof 1977 seine Lehrtätigkeit begann, musste eine intensive Aufbauarbeit an einer Hochschule geleistet werden, die sich 1980 in eine Katholische Universität verwandelte. Die langen und intensiven Diskussionen über das Wesen einer Katholischen Universität, die Bedeutung des Faches Geschichte in ihr und das Verhältnis der geisteswissenschaftlichen Fächer zur Theologie haben ihn langandauernd beschäftigt.

Sowohl im Seminar wie in der Fakultät war er ein unerschütterlicher Diskutant, der mit seinen intensiven Nachfragen und dem Ringen um eine adäquate Auslegung von Quellen hart mit sich und seinen Schülern rang. Lateinische Texte hat er geliebt, besonders aus toskanischen Humanistenkreisen, und geduldig um eine rechte Übersetzung gerungen. Behutsam und gleichzeitig zäh ging er an die Übersetzung und Interpretation von Chroniken und Heiligenlegenden heran, vom Bewusstsein durchzogen, dass eine Übersetzung stets eine Interpretation blieb. Mit Hilfe seiner imponierenden Lesefrüchte und seines Allgemeinwissens zog er die notwendigen Zusatzinformationen zur Auslegung heran und führte die Studierenden so in die Denkhorizonte der jeweiligen Zeitumstände hinein. Die Universitäts-, Schul- und Bildungsgeschichte blieben all die Jahre seine liebsten Forschungsfelder, Ordens- und Papstgeschichte weitere, die Liebe für lombardische und toskanische Rechtsgelehrte und Geschichtsschreiber wäre als ein dritter Bereich anzuführen.

Manchmal etwas schroff wirkend hat er, wenn es darauf ankam, stets zu Gunsten des Studierenden votiert und sich für ihn eingesetzt. Sein Doktorandenkolloquium und die Nachsitzungen im Weinkeller waren legendär. Sein Charme und sein pfälzischer Humor, sein Lachen, seine blitzenden, neugierigen Augen werden unvergessen bleiben. Herr Dickerhof hat das Fach der Mittelalterlichen Geschichte in Eichstätt etabliert, zahlreiche Promotionen und eine Habilitation hat er fürsorglich begleitet. Lange Jahre hat er Exkursionen in die Lombardei und in die Toskana angeboten, um den Mitfahrenden die Augen für die Kultur, die Geschichte, ja die Schönheit dieser Räume zu öffnen. Dazu gehörte dann auch die kulinarische Seite.

Herr Dickerhof hat einen eigenständigen wissenschaftlichen Ansatz verfochten. Neben der mittelalterlichen Geistes- und Kirchengeschichte hatte er auch ein starkes Faible für das 19. Jahrhundert. Deshalb hat ihm die Görres-Gesellschaft die Herausgabe der gesammelten Schriften von Joseph Görres angetragen. Diese Aufgabe hat ihm viel Kraft gekostet, weil er auch hier, stets gegen den Mainstream denkend, mit den einzelnen Texten und deren Bedeutung gerungen hat. Vieles bleibt nun unvollendend, aber, um den Spruch auf der Todesanzeige zu zitieren: „Das Ende unseres Lebens wird eben ein innehalten mitten in einer Ackerfurche sein.“ Möge er ruhen in Frieden!

Prof. Dr. Helmut Flachenecker

(Der Autor hat an der Universität Würzburg den Lehrstuhl für fränkische Landesgeschichte inne und war von 1987 bis 1997 Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Dickerhof.)