Zwischen Illusion und Wirklichkeit

Die Wanderbühne der KU spielte „Sechs Personen suchen einen Autor“ in einer Inszenierung mit verschiedenen Metaebenen, das das Theater reflektiert und neu erfindet.

Nach so langer Pause füllte sich das Theatron der KU am Freitag endlich wieder mit Publikum für einen Theaterabend. Das theaterpädagogische Seminar „Wanderbühne“ des Lehrstuhls Deutschdidaktik an der KU inszenierte unter der Leitung von Kristina Schmitt „Sechs Personen suchen einen Autor“ - ein Klassiker der Weltliteratur von Luigi Pirandello. Das Stück fordert das Publikum durch die verschiedenen Ebenen von Illusion und Wirklichkeit zum Nachdenken heraus.

Am Beginn steht eine Theaterprobe auf der Bühne - Theater im Theater. Dieses metadramatische Element, das in vielen berühmten Dramen zu finden ist, wurd von Pirandello ganz neu gedacht: Die dargestellte Probe wird unterbrochen, denn sechs leibhaftig gewordene Bühnenfiguren aus einem unfertigen Stück sehnen sich danach, dass sie und ihre Geschichte auf der Bühne lebendig und verewigt werden. „Manche werden als Schmetterling geboren, andere als Stein, als Frau, und manche als Bühnenfiguren” (Pirandello). Die Bühnenfiguren - eine Familie mit ihren Geheimnissen und Konflikten - wenden sich an einen Direktor und seine Theatergruppe, die ihr Drama aufführen sollen. Zunächst überrumpelt, zeigt sich der Direktor immer interessierter an dem Stoff, den die sechs Personen mitbringen und lässt die Bühnenfiguren ihre Geschichten erzählen.

Die Personen stellen jeweils eine andere Version der Geschehnisse vor, besonders die Stieftochter und der Vater, die ihr Zerwürfnis ins Zentrum stellen. Die Mutter erleidet furchtbare Qualen, als sie die traumatischen Ereignisse erneut durchlebt. Was ist noch Illusion und was ist Wirklichkeit? Der Vater lässt den Theaterdirektor seine eigene Wirklichkeit anzweifeln, schließlich seien Bühnenfiguren wirklicher als reale Menschen und die Wirklichkeit doch auch nur Illusion. Es werden Geheimnisse aufgedeckt und Konflikte vorgespielt – der Direktor versucht, diese Ereignisse zu einem handfesten Stück für seine Schauspielerinnen und Schauspieler zu formen, und den realen (oder doch nicht so realen?) Figuren eine Bühne zu bieten. Währenddessen spitzen sich die Konflikte in der Familie zu – im Spiel oder in der Wirklichkeit? Pirandello hat das Theater mit seinem Illusionsbruch und der Vermischung von Wirklichkeitsebenen im 20. Jahrhundert revolutioniert.

Die Theatergruppe arbeitete über ein Jahr an der bis ins Detail geplanten Inszenierung. Die zum Teil selbstgeschneiderten Kostüme spiegelten die verschiedenen Metaebenen zwischen Illusion und Realität wider und fügten sich in die Kulisse ein, die sich während der Aufführung immer mehr wandelte. Ein besonderes Highlight des Bühnenbildes waren die Zeichnungen der Kunststudentin Isabel Rack, die in der Rolle der Bühnenmeisterin die Spielenden in großen Portraits auf die Leinwände zauberte. Die Aufführungsfreude der Schaupielerinnen und Schauspieler, die über Monate auf die Erlaubnis einer Live-Vorstellung warteten, war während des gesamten Abends zu spüren.

Wer das Stück verpasst hat, kann sich die Inszenierung in seiner gekürzten Version als Theaterfilm auf dem YouTube Kanal der Wanderbühne Eichstätt ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=Vnl_a4Fwloo