Professionell und zeitgemäß: Italienische Delegation informierte sich über berufliche Bildung in der Region

Einblick in das deutsche System der Beruflichen Bildung erhielt eine italienische Delegation in Eichstätt und Ingolstadt bei einem zweitägigen Besuch, der von Dr. Michael Köck (Studiengangsleiter für Berufsschullehrerausbildung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt) organisiert worden war. Die Gäste aus der Lombardei und Venetien sammelten dabei Anregungen für die konzeptionelle Arbeit in ihren eigenen Berufsbildungseinrichtungen. Während in Deutschland die berufliche Ausbildung hauptsächlich im sogenannten Dualen System stattfindet, also im Betrieb und in der Berufsschule, vollzieht sich die Berufsbildung in Italien überwiegend in Berufsfachschulen. Aufgrund der im europäischen Vergleich niedrigen Jugendarbeitslosigkeit stößt das deutsche System im Ausland immer wieder auf große Beachtung. Die Gäste aus Italien wollten daher mehr über die zeitliche, organisatorische und inhaltliche Koordination des Wechsels zwischen Berufsschule und Betrieb erfahren. Hintergrund ihren Besuch ist eine Vereinbarung zwischen den Arbeitsministerien beider Staaten, in der 2012 eine intensivere Zusammenarbeit für die Bereiche Arbeitsmarktpolitik und Berufliche Bildung beschlossen wurde. Der Kontakt zur KU wurde durch das Internationale Büro der Universität vermittelt.

Ausgestattet mit grundlegenden Informationen über System und Didaktik der Berufsbildung, die in einem Einführungsvortrag vermittelt wurden, besuchten die italienischen Lehrer und Pädagogen, darunter drei Direktoren von berufsbildenden Einrichtungen, zunächst die Berufsschule 1 in Ingolstadt. Dort gewannen sie einen Eindruck über die schulische Ausbildung im Ernährungs- und Gastronomiebereich. Angetan zeigte sich die Gruppe über den Praxis- und Handlungsbezug des Unterrichts, der sich allein schon in den Räumlichkeiten der Berufsschule manifestiert. Beeindruck waren sie beim Blick in weitere Fachräume mit voll ausgestattetem Friseursalon, Fachraum für die KFZ-Mechatroniker bis hin zum Bäckerei-Verkaufsraum.

Positiv werteten die Teilnehmer die didaktisch-methodischen Konzepte mit einer inhaltlichen, methodischen und organisatorischen Verzahnung von Theorie und Praxis. Die Ausrichtung des Unterrichts an Prinzipien wie Handlungsorientierung, Erfahrungsorientierung und Arbeitsprozessorientierung werde in Italien durch ein eng an die wissenschaftliche Systematik einzelner Fächer angelehntes Unterrichtsverständnis behindert. Fachliche, mathematische oder andere Inhalte aufeinander zu beziehen und in berufliche  Unterrichts- und vor allem Lernkonzepte umzusetzen, erfordert eine hohe Professionalität des Lehrpersonals. Von dieser konnte sich die Gruppe am nächsten Tag an der Berufsschule Eichstätt überzeugen, als der Leiter der Fachabteilung Holztechnik Andreas Weis zusammen mit den Fachlehrern Josef Herrle und Alexander Weber demonstrierte, wie die angehenden Schreiner Schritt für Schritt ihre Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz aufbauen können.

In ähnlicher Weise wie in Deutschland vermitteln auch die berufsbildenden Einrichtungen in Italien weiterführende Abschlüsse. Daher lag es nahe, sich über eine der schulischen Anschlussmöglichkeiten an die Duale Erstausbildung zu informieren. Mit der Meisterschule für Schreiner in München, die am Dienstagnachmittag besucht wurde, lernte die Delegation aus Italien die Organisation und Ausbildung in einer innovativen Fachschule kennen. Die Gruppe konnte am Unterricht einer Meisterklasse im Fach Gestaltung und Konstruktion teilnehmen und mitverfolgen, wie Kreativität im Entwurf, technologiegestützte Planung und maschinelle Umsetzung aufeinander bezogen werden. So verfestigte sich nicht nur bei den Fachleuten aus Italien der Eindruck, dass hierzulande im berufsbildenden System junge Menschen professionell, didaktisch und methodisch zeitgemäß auf die Arbeitswelt vorbereitet werden und in Punkto Leistungsfähigkeit keinen Vergleich mit akademischen Berufen scheuen müssen. Insgesamt zeigten sie sich beeindruckt von der Strukturiertheit im Dualen System, das für rund 350 Berufe standardisierte Ausbildungsvorgaben von Flensburg bis Garmisch vorsieht.

Eine Diskussion über den Stellenwert allgemeinbildender Inhalte wie Literatur oder Philosophie im beruflichen Schulsystem ließ zudem durchaus unterschiedliche Positionen deutlich werden. Während die italienischen Pädagogen die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten als unabdingbar für die persönliche Reifung ihrer Schüler betrachteten, liegt der Fokus hierzulande eindeutig auf der Effizienz und Produktivität des beruflich-betrieblichen Handelns.

„Insgesamt zeigten die beiden Tage, dass bei einem solchen Austausch immer beide Seiten voneinander lernen können“, resümiert Dr. Michael Köck.