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Marsilius-Brückenseminar: „Nachhaltige Stadt der Zukunft – in Fiktion, Gesetz und Planung“ an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 12.–14. Juli 2023

Drei Tage, drei Universitäten, drei Fachbereiche. In diesem Semester brachte das Marsilius- Brückenseminar nicht nur verschiedene Disziplinen, sondern auch städte- und universitätsübergreifend Studierende und Dozierende zusammen. Die Bezeichnung „Brückenseminar“ ist dabei programmatisch zu verstehen: als Format des Brückenschlags zwischen den einzelnen Wissenschaftskulturen und in diesem besonderen Fall zwischen verschiedenen Forschungsstandorten Deutschlands. Gemeinsames Ziel der Bonner, Eichstätter und Heidelberger war es, verschiedene Perspektiven auf Formen nachhaltiger Städte der Zukunft einzunehmen und deren Chancen und Herausforderungen im interdisziplinären Dialog zu diskutieren.

Ausgehend von einer grundlegenden Auseinandersetzung mit dem Nachhaltigkeitskonzept aus juristischer, geographischer und literaturwissenschaftlicher Perspektive wurden im Seminar in Anlehnung an eine Fachkonferenz in verschiedenen Panels einzelne Themenkomplexe erörtert. Hierzu zählten u.a. „Klima und Umwelt“, „Mobilität und Verkehr“ ebenso wie „Wohnen und öffentlicher Raum“, aber auch „Armut und Gerechtigkeit“. In kurzen fachübergreifenden Vorträgen wurden grundlegende Konzepte und Fallbeispiele erläutert, die dann von den verschiedenen Fachrichtungen im Plenum unter weiteren Gesichtspunkten kritisch perspektiviert wurden.
Im Fokus der Vorträge und Diskussionen standen neben der raumkonzeptionellen Planung eines nachhaltigen städtischen Wandels Fragen nach dem Verhältnis von informellen und juristischen Werkzeugen ebenso wie Möglichkeiten ästhetischer Repräsentation und Vermittlung. So konnte etwa anhand von Stadtgedichten der Wandel urbaner Räume ästhetisch reflektiert werden, während die Auseinandersetzung mit Gesetzestexten Fragen nach Grenzen und Möglichkeiten kommunaler Selbstverwaltung aus juristischer Perspektive aufzeigte. Die Vorstellung von Konzepten wie „Umweltzonen“ und „Schwammstädte“ erlaubten Einblicke in Möglichkeiten der Adressierung von Problemen wie Feinstaubbelastung, Wasserknappheit oder Hitzestress. Kritische Begriffsarbeit wurde in Bezug auf unspezifischem auf technologische Innovationen weisende Sammelbegriffe wie dem der „Smart City“ geleistet.

Dabei profitierte die diskursive Schnittstelle zwischen Stadtgeographie, Umweltrecht und Literaturwissenschaft von weiteren studentischen Perspektiven etwa aus den Biowissenschaften, Politikwissenschaften, Mathematik und Chemie.

Zwei lokale Exkursionen ermöglichten es, die theoretischen Perspektiven durch konkrete Einblicke in die Stadtgestaltung und -entwicklung vor Ort zu ergänzen.

Der Besuch eines großen Streetart-Wandgemäldes des Künstlers Mantra, das einen vom Aussterben bedrohten Schmetterling zeigt, bot die Möglichkeit, Formen ökokritischer Kunst im öffentlichen Raum zu diskutieren und den Biodiversitätsverlust in der Stadt an einem Beispiel vor Augen zu stellen. Mit einer Animationsapp konnte der Falter von den Studierenden zum Leben erweckt werden. Ergänzt wurde das visuelle Erlebnis durch die Lektüre eines Schmetterlingsgedichts der Gegenwartslyrikerin Sabine Scho, das die Bedrohung der „zeigerarten für lebensräume“ auf poetische Weise eingängig machte.

Der zweite Gang ins Feld führte in die sogenannte Bahnstadt, einen neuen Stadtteil Heidelbergs, der auf einem ehemaligen Güterbahnhofsgelände entstand und eine der größten Passivhaus-Siedlungen weltweit umfasst. Vor- und Nachteile der Passivbauweise ebenso wie weitere Maßnahmen zur Umsetzung der Klimawende wie Photovoltaikanlagen wurden vor Ort erörtert. Auch lokale Möglichkeiten und Grenzen einer städtischen Verkehrswende konnten mit Blick auf Luftverschmutzung und Treibhausgasemissionen kritisch perspektiviert werden. Im Gelände wurden von den Studierenden nicht nur Fragen nach Verdichtung und Aufstockung zur Wohnraumschaffung aufgeworfen, sondern auch Konflikte zwischen sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten anhand der lokalen Umsetzungen erörtert.

Beschlossen wurde das Seminar von einer angeregten Paneldiskussion, in der im Zusammenschluss interdisziplinärer Perspektiven ein gemeinsamer Weg zur nachhaltigen Stadt der Zukunft diskutiert wurde.


Das „Marsilius-Kolleg“ ist Teil der Exzellenzstrategie der Universität Heidelberg und fördert den interdisziplinären Dialog nicht nur durch Fellows-Klassen und gemeinsame Projekte von Wissenschaftler*innen. Auch Lehrangebote an der Schnittstelle der Fachdisziplinen wie etwa Vorlesungsreihen, die sich an die breite Öffentlichkeit richten, oder Brückenseminare, die Student*innen fächerübergreifend zusammenbringen, eröffnen Räume interdisziplinären Austauschs.

Geleitet wurde das Marsilius-Brückenseminar im Sommersemester 2023 von Prof. Dr. Ulrike Gerhard (Heidelberg, Stadtgeographie), JProf. Dr. Jacqueline Lorenzen (Bonn, Rechtswissenschaften), Prof. Dr. Friederike Reents (Eichstätt-Ingolstadt, Literaturwissenschaft) und Annika Hammer (Eichstätt-Ingolstadt, Literaturwissenschaft).

 

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