In diesem Sommersemester setzten sich die Studierenden aus so unterschiedlichen Fächern wie der Medizin, der Soziologie, der Mittelalter- und Kunstgeschichte, der Geographie, der VWL und natürlich den Literaturwissenschaften mit dem Meer unter den Aspekten „Deutung und Rolle“, „Nutzung und Ausbeutung“ und „Gefährdung und Nachhaltigkeit“ auseinander. Auch in ihren Referaten blickten sie über ihre eigenen Disziplinen hinaus: So wurde zum Beispiel im Zuge des „Blue Humanities Thinking“ eine Sound-Collage der Eichstätter Wasserkulisse aufgenommen und im Plenum präsentiert. Angeregt durch einen Instagram-Beitrag brachte ein geographisch-germanistisches Tandem dem Seminar den Tiefseebergbau näher, was zu einer Debatte führte, ob der Mensch in den Meeresboden, von dem ohnehin kaum etwas bekannt sei, eingreifen dürfe. Ein historischer Beitrag nahm sich ein Gedicht als Quelle vor, um mehr über die mittelalterliche Wahrnehmung des Wassers zu erfahren, ein anderer zeigte, dass Nachhaltigkeit bereits im Mittelalter, in dem bereits über 300 Meerestierarten identifiziert wurden, ein Diskussionsthema war. Stadtgeograph:innen hingegen richteten den Blick auf Zukunftsaussichten der Städteplanung in Küstengebieten und darauf, in welchem Ausmaß Großstädte wie Miami oder New Orleans vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind. Und durch Edgar Allan Poes Hinab in den Maelström (1841) und Christoph Ransmayrs Die Schrecken des Eises und der Finsternis (1984) wurde schließlich aus literaturwissenschaftlicher Perspektive die Unwissenheit des Menschen über das Wasser demonstriert, die er durch Konstruktion zu komprimieren versucht, indem Geräuschkulissen mit Stimmen des (Eis-)Meeres gleichgesetzt werden.
Insgesamt stellten sich neue Zugänge in der Umgangsweise mit Quellen ein: Das Sachbuch Hallo Plankton! Wunderwesen im Wasser (2024), das von der Biologin Annika Guse (LMU) wissenschaftlich mitbetreut wurde, reflektierten Studierende aufgrund der farbigen Illustrationen aus der Sicht der Kunstgeschichte. Auf das von Guse ebenfalls eingebrachte Werk Der Sturm. Die wahre Geschichte von sechs Fischern in der Gewalt des Ozeans (2015) wendeten die Referenten die sozialwissenschaftliche Akteur-Netzwerk-Theorie an und visualisierten das Beziehungsgeflecht der Akteure, zu denen neben den Fischern auch Schiffe, Fische und sogar Eis zählten.
Das diesjährige Marsilius-Brückenseminar wurde von Prof. Dr. Ulrike Gerhard (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Stadtgeographie), Prof. Dr. Annika Guse, (Ludwig-Maximilian-Universität München, Meeresbiologie), Prof. Dr. Nikolas Jaspert, (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Mittelaltergeschichte) und Prof. Dr. Friederike Reents (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Neuere deutsche Literaturwissenschaft) geleitet.
Die Brückenveranstaltungen des Heidelberger Marsilius-Kollegs, dem die vier Dozent*innen angehören, zeichnen sich durch einen hohen interdisziplinären Charakter aus: Studierende aus unterschiedlichen Fächern werden von mindestens zwei Dozent:innen aus den Geistes-, Sozial- oder Naturwissenschaften betreut, diskutieren kritisch über ein gemeinsames Thema – und können neben einer Erweiterung des Horizonts am Ende ein Marsilius-Zertifikat erhalten, das, wie Tobias Just, der geschäftsführende Leiter des Heidelberger Marsilius-Kollegs betonte, bei Bewerbungen gute Dienste leiste.
Die Eichstätter Studierenden hatten nun bereits zum dritten Mail die Gelegenheit, daran teilzunehmen. In 2021 wurde das Thema „Körper(um)welten“ aus anthropologischer, medizinhistorischer und literaturwissenschaftlicher Perspektive (unter Beteiligung der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) und in 2023 das Thema „Nachhaltige Stadt der Zukunft – in Fiktion, Gesetz und Planung“ aus stadtgeographischer, juristischer und literaturwissenschaftlicher Sicht (unter Beteiligung der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg sowie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) beleuchtet.