News am Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft

Anna Ritter mit dem Kulturpreis Bayern ausgezeichnet

Anna Ritter hat 2023 ihre Promotion unter der Betreuung von Prof. Dr. Sebastian Kürschner und Prof. Dr. Björn Hansen (Universität Regensburg) erfolgreich abgeschlossen. Am 14. November 2024 wurde sie nun mit dem Kulturpreis Bayern ausgezeichnet.

Wir gratulieren sehr herzlich zur Auszeichnung!

In ihrer Arbeit beschäftigt sich Anna Ritter mit Mehrsprachigkeit in der Familie aus linguistischer, soziolinguistischer und sprachbiographischer Perspektive am Beispiel russisch-deutscher Migrantenfamilien in Deutschland. Im Interview spricht sie über ihre Promotion und gibt Nachwuchsforscher/-innen hilfreiche Ratschläge zur erfolgreichen Arbeit an einer Dissertation.

 

Womit hast Du Dich in Deiner Dissertation beschäftigt?

Welche Sprache wird eigentlich in einer zweisprachigen Familie gesprochen? Interessanterweise werden auf diese scheinbar banale Frage unterschiedliche Antworten gegeben. In der pädagogischen und populärwissenschaftlichen Literatur heißt es oft, dass in einer zweisprachigen Migrantenfamilie die Sprache der Eltern gesprochen wird und/oder auch Deutsch. Ist es aber wirklich so? Wie kann man dies in so einem privaten Lebensbereich überprüfen? Genau mit diesen Fragen beschäftigt sich meine Doktorarbeit und untersucht sie aus der linguistischen, soziolinguistischen und sprachbiographischen Perspektive am Beispiel von zehn russisch-deutschen Migrantenfamilien in Deutschland.

Ausgehend davon habe ich meine Forschungsfragen wie folgt formuliert: (1) Wie wirken sich Sprachbiographien einzelner Familienmitglieder auf die sprachliche Situation innerhalb einer Migrantenfamilie aus? (2) In welcher Beziehung stehen die Sprachen Deutsch und Russisch zueinander in den Gesprächen zwischen einzelnen Familienmitgliedern? (3) Wie können denkbare sprachliche Situationen variationslinguistisch typifiziert werden?

Um die Forschungsfragen zu beantworten, habe ich drei Typen von Daten gesammelt. Den ersten und größten Teil bilden die Audioaufnahmen (ca. 597 Minuten). Der zweite Teil der Daten besteht aus Fragebögen, die Fragen zu demographischen Eckpunkten und Sprachen der Teilnehmer/-innen beinhalten. Zu dem dritten Teil der Daten gehören Gespräche mit den Eltern, die nach der Auswahl und Transkription der Audiodaten geführt und in Form von Handnotizen festgehalten wurden. Als Ergebnis wurden zehn Soziolinguistische Familienporträts (SLFP) erstellt, die die sprachliche Entwicklung von Familien über sechs Lebensetappen und teils fünf Generationen beschreiben. Die Sprechweise in der Familie wurde gesprächsanalytisch untersucht und als Familienstil erfasst.

 

Was war für Dich das Spannendste oder Überraschendste in Deiner Untersuchung?

Zu den spannendsten Momenten in meiner Arbeit gehören die Gespräche mit den Teilnehmern/-innen, in denen sie mir über ihre eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen ihrer Eltern, Großeltern, Kinder und Enkelkinder im Kontext von Sprachen erzählten und viele sowohl lustige als auch traurige Beispiele gaben. Das Überraschendste für mich und teilweise für die aufgenommenen Personen war, dass ihre Vorstellungen davon, wann, mit wem und welche Sprache sie sprechen, nicht immer mit dem tatsächlichen Sprachgebrauch in den Aufnahmen übereinstimmten.

 

Was rätst Du anderen Nachwuchsforscher/-innen? Welche Tipps kannst Du geben?

Die Fertigstellung einer Dissertation umfasst normalerweise einige Jahre. Daher ist es kein Wunder, dass die Motivation und damit die Stimmung bei Promovierenden sich mehrmals ändern kann. Genau an dieser Stelle möchte ich ihnen ein paar Tipps für die Situationen geben, wenn die Motivation, die Doktorarbeit zu schreiben, gerade im Keller ist. Erstens ist es wichtig zu verstehen, dass die Zeitpläne für eine Dissertation meistens nicht eingehalten werden können und dies nicht immer von Schreibenden selbst abhängt. Man beschäftigt sich zum ersten Mal mit so einem umfangreichen und eigenständigen Projekt und hat am Anfang überhaupt keine Vorstellung davon, wie sich dieses Projekt entwickeln wird. Zweitens kann man an einer Dissertation an mehreren Stellen gleichzeitig arbeiten. Wenn ein Kapitel gerade nicht vorangeht, kann eventuell an einem anderen getüftelt werden. Hinzu zählt nicht nur das eigentliche Schreiben, sondern auch das Suchen und das Lesen von entsprechenden Literaturquellen. Drittens sind kurze Pausen in der Arbeit wichtiger als man denkt. Sie geben die Möglichkeit, das Ganze geistig aus Distanz zu betrachten, den Fortschritt zu merken und sich selbst dafür zu loben. Manchmal erhält man dadurch auch neue Ideen.

 

Der Kulturpreis Bayern wird seit 2005 vom Bayernwerk für herausragende Leistungen in Kunst und Wissenschaft verliehen. Ausgezeichnet werden Künstler/-innen aus Bayern sowie Absolvent/-innen und Doktorand/-innen der bayerischen Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und staatlichen Kunsthochschulen.

Weitere Informationen zum Kulturpreis Bayern und den diesjährigen Preisträger/-innen finden sich auf der Seite des Bayernwerks.