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"Das Christkind lädt zu seinem Markte ein, und wer da kommt, der soll willkommen sein." Mit seinem Prolog eröffnet das Nürnberger Christkind den Christkindlesmarkt; jedes Jahr von der Tagesschau mit einem Einspieler in unsere Wohnzimmer gebracht. Nürnberg ist, vielleicht neben dem Dresdner Striezelmarkt, das weltweit bekannteste Beispiel für den deutschen Weihnachtsmarkt. Inzwischen gibt es ihn in fast jeder größeren Stadt. Zumeist handelt es sich um mehrere Wochen dauernde Märkte. Inzwischen werden sie von professionellen Agenturen organisiert und kommerziell ausgerichtet; nicht nur in Nürnberg bilden sie einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Längst sind Weihnachtsmärkte zu einer Art winterlichem Erlebnisort geworden, eine Mischung aus Kirmes, Eislaufvergnügen, Glühwein und klingendem Weihnachtstrubel. Wer ahnt schon, dass ihre Ursprünge nicht in den ökonomischen Interessen örtlicher Firmen und Gastronomiebetriebe liegen. Auch der Weihnachtsmarkt streckt seine Wurzeln bin ins kirchliche Leben aus.
Im Mittelalter war genau festgelegt, wer und wann auf einem Markt seine Waren feilbieten durfte. Nachdem es im 14. Jahrhundert üblich wurde, den Bediensteten und den Kindern zu Weihnachten kleine Geschenke zu machen, erlaubte man Handwerken wie Korbflechtern, Zuckerbäckern und Spielzeugmachern an den Tagen vor dem 25. Dezember auf dem Wochenmarkt vor der Kirche ihre Zelte aufzuschlagen und ihre Produkte anzubieten. Selbst für das leibliche Wohl der Besucher war gesorgt. Es gab geröstete Kastanien, Nüsse und Mandeln. Bereits 1310 fand in München ein solcher Weihnachtsmarkt statt, in Dresden 1434. Und auch der Nürnberger Christkindlesmarkt ist zwischen 1610 und 1639 aus diesen Wurzeln erwachsen.
Die Märkte fanden nicht grundlos vor den Kirchen statt. Die Nähe zwischen Markt und Kirche war durchaus gewollt. Denn die festlich gestimmten Menschen sollten nach dem Gottesdienst vor die Kirchtüre treten und sogleich zum Kaufen der Spielwaren animiert werden. Dass das Verhältnis zwischen Kirche und Markt nicht immer konfliktfrei war, beweist der Pfarrer von St. Sebald in Nürnberg. Er musste am 24. Dezember 1616 die Nachmittagspredigt ausfallen lassen, denn die Leute fanden gar nicht erst den Weg in die Kirche, sondern waren ausschließlich mit dem Kauf der Weihnachtsgeschenke beschäftigt.
Aus dem Zubehör zum Kirchenbesuch entwickelten sich die Weihnachtsmärkte mit ihren geschmückten Budengassen aber allmählich zu Orten, um zu bummeln, zu schauen, zu staunen und zu kaufen. Erwarb man einst kleine, handgefertigte Spielsachen und weihnachtliche Süßigkeiten, dominierten im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts immer mehr Waren aus der Massenproduktion das Sortiment. Als schließlich nach dem Ersten Weltkrieg die Kaufhäuser mit ihrem riesigen Angebot an Spielzeug und anderen Geschenkartikeln die Käufer anlockten, verloren die Weihnachtsmärkte ihre kommerzielle Bedeutung. Was blieb, waren Weihnachtsromantik und Kindheitsidylle. Heute leben die Weihnachtsmärkte von der festlichen, gefühlsbetonten Atmosphäre mit buntem Begleitprogramm und anderen Attraktionen und haben sich inzwischen zu Besuchermagneten entwickelt.
Im Hintergrund stand aber ursprünglich der Geschenkbrauch am Weihnachtsfest. Er war zunächst in protestantischen Regionen zu Hause. Weil man hier der Heiligenverehrung skeptisch bis ablehnend gegenüberstand, brachte nicht mehr der heilige Nikolaus, sondern das Christkind die Geschenke. Seit 1900 hatte sich aber auch in katholischen Gebieten die Kinderbescherung vom Nikolausfest auf Weihnachten verlagert. Und damit verbreiteten sich die Weihnachtsmärkte in ganz Deutschland.
Sich zu Weihnachten zu beschenken, hat durchaus auch einen geistlichen Sinn. Dabei geht es freilich nicht um den materiellen Erwerb. Vielmehr schenkte man einst den Armen, Bedürftigen und damit auch den Kindern etwas, um sie an der Freude über die Geburt Jesu teilhaben zu lassen. Die Überraschung, ein Geschenk zu erhalten, etwas zu bekommen, womit man nicht gerechnet hat, erinnert an das unerwartete Wirken Gottes, in Jesus selbst den Menschen zu begegnen, um sie zu retten. Darin zeigt sich schon etwas vom neuen Maßstab des Gottesreiches, in dem Gott die Hungernden mit reichen Gaben beschenkt, die Reichen aber leer ausgehend lässt (vgl. Lk 1,53).