Habilitationsprojekte

Dr. Michael Groß

"GlaubensSchwachheit" (Michel de Certeau). Reflexion über eine zeitgemäße christliche Fundamentalethik

Auf dem Hintergrund ihres Brüchigwerdens und einer sich daraus ergebenden veränderten Position von Kirche und Theologie in der Gesellschaft nimmt Michel de Certeau (1925-1986), französischer Jesuit, Theologe, Historiker, Ethnologe, Handlungswissenschaftler und Psychoanalytiker eine ausdrückliche Außenperspektive ein. Er verlässt damit die bisherige selbstverständliche und Machtposition, die nur noch nach innen wirkt, und beobachtet, wie Kirche und Theologie zur Folklore werden, wenn sie ihre veränderte Position nicht beachten.

Verschärft wird diese so beschriebene Bewegung durch den Missbrauchsskandal, der Kirche und Theologie nicht mehr nur im Bereich des Lächerlichen, sondern im Bereich der Täterschaft stehen lässt. Wo aber die Ergebnisse des Handelns lächerlich oder gar gewalttätig sind, da werden auch die Quellen seiner Moral fragwürdig. Die von Certeau aufgemachte Fragestellung hat daher eine eklatante und aktuelle fundamentalmoralische Relevanz: wie lässt sich christliche Ethik auf dem Hintergrund des dem Christentum innewohnenden Gebrochenseins glaubwürdig denken? Was sind Merkmale einer zeitgemäßen christlichen Haltung?

Im Abgleich mit einigen aktuellen fundamentalmoralischen Positionen werden Schwerpunkte in Certeaus unausdrücklichem Verständnis von christlicher Ethik herausgearbeitet. Es geht dabei unter anderem darum, Menschen überhaupt in ihrer je eigenen Handlungsfähigkeit wahrzunehmen und sie darin zu bestärken. Erst im Wiederentdecken der Handlungsfähigkeit des Einzelnen zeigen sich je neu Erfahrungsmöglichkeiten der Nähe Gottes und Sinnerfahrungen, die dem einzelnen auch in Schuld und Verzweiflung weiterhelfen können.

Die Frage nach dem Christsein und dem christlichen Handeln muss sich der einzelne Mensch stets selbst erschließen. Certeau beschreibt mit großer Hingabe die dazu nötigen Erfahrungsmöglichkeiten. Mit der „GlaubensSchwachheit“ skizziert er eine christliche Haltung, die im Bewusstsein dieser Möglichkeiten stets auf der Suche nach dem lebendigen Gott ist und in die Moraltheologie einen hohen Anspruch individueller Erfahrungen gelingenden Lebens einträgt.

 

Dr. Branka Gabric

People with the Invisible Chronic Diseases in the Contemporary Church and Societies (Experiences from Croatioa and Italy). An Anthropological, Theological and Ethical Enquiry

The habilitation project addresses the challenge of people who suffer from “invisible” chronic diseases that last for one or more years and require ongoing medical attention and that are limiting activities of daily living, and that are not curable. Apart from the oncological diseases and issues concerning terminal phases of life, many other aspects and challenges that persons are experiencing due to chronic conditions are not sufficiently elaborated, including psychological and social repercussions and numerous ethical questions. This topic is also neglected if at all present in theological and pastoral reflection. The aim is to bring out one of the important topics of the current research in global health and to approach it through an anthropological, theological, and ethical inquiry.

Das Habilitationsprojekt befasst sich mit den Herausforderungen von Menschen, die an "unsichtbaren" chronischen Krankheiten leiden, die ein oder mehrere Jahre andauern, ständige medizinische Betreuung erfordern, die Aktivitäten des täglichen Lebens einschränken und die nicht heilbar sind. Abgesehen von den onkologischen Erkrankungen und den Fragen, die die Endphase des Lebens betreffen, werden viele andere Aspekte und Herausforderungen, die Menschen aufgrund chronischer Erkrankungen erleben, nicht ausreichend behandelt, einschließlich der psychologischen und sozialen Auswirkungen und zahlreicher ethischer Fragen. Auch in der theologischen und pastoralen Reflexion wird dieses Thema, wenn überhaupt, vernachlässigt. Ziel ist es, eines der wichtigsten Themen der aktuellen Forschung im Bereich der globalen Gesundheit herauszuarbeiten und es durch eine anthropologische, theologische und ethische Untersuchung anzugehen.

Dissertationsprojekte

Alexandra Kaiser-Duliba

(Ent-)Personalisierte Mitarbeitende in digitalen Transformationsprozessen (Arbeitstitel)

Die digitale Transformation ist ein Veränderungsprozess, der unsere Lebenswelt mit zunehmender Geschwindigkeit und in zunehmendem Umfang beeinflusst. Transformationsprozesse stellen dermaßen tiefgreifende Wandlungsprozesse dar, dass sie nahezu alle Dimensionen menschlichen Daseins tangieren. Im Rahmen der angestrebten Arbeit soll der Begriff „Person“ systematisch aufgearbeitet werden, um möglicherweise durch den digitalen Wandel induzierte Gefährdungen kritisch zu reflektieren. Die Auswirkungen der digitalen Transformation und die mit ihr einhergehende potenzielle Gefährdung der Person sollen anhand des Gegenstandsbereiches der internen Unternehmenskommunikation dargestellt und erarbeitet werden.

 

Andrea Windisch

Weltanschauliche Grundlegungen der professionellen Pflege in Deutschland

Pflege verlangt eine innere Stellungnahme. Aufbauend auf diesem Grundsatz hat sich die professionelle Pflege in Deutschland auf eigengeprägte Weise entwickelt. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass Pflege sich vornehmlich in weltanschaulich geprägten Verbänden organisiert hat. Inhaltliches wie organisatorisches Vorbild waren dabei vielfach die Orden und Kongregationen. Die Wurzeln professioneller Pflege waren wesentlich christlich geprägt.

Das Dissertationsprojekt hat zum Ziel, den weltanschaulichen Grundlegungen von Pflege-Organisationen in Deutschland nachzugehen, wegweisende Paradigmen zu identifizieren, ihre Ursprünge, ggf. Veränderungen und Entwicklungen aufzuzeigen. Dabei sollen insbesondere die eigenen Äußerungen von beruflich Pflegenden bzw. die aus der Berufsgruppe selbst erwachsenen Konzepte im Vordergrund stehen sowie deren ethische und spirituelle Handlungsmotivation beleuchten.

 

Wiebke Brandt

Ethische Letztbegründung unter dem Anspruch der Autonomen Moral - Die Bedeutung von Alan Gewirths "Prinzip der konstitutiven Konsistenz" für die Theologische Ethik (Arbeitstitel)

Mit den Mitteln der Vernunft ein erstes moralisches Prinzip aufzuspüren, das den Ankerpunkt eines gesamten Ethik-Systems bildet, gilt gemeinhin als aussichtsloses Unterfangen. Der amerikanische Philosoph Alan Gewirth (1912-2004) hat gleichwohl ein solches Prinzip vorgestellt, das er für logisch zwingend hielt: Alle prospektiv Handelnden sollen stets in Übereinstimmung mit den konstitutiven Rechten (auf Freiheit und Wohlergehen) der von ihrem Handeln Betroffenen wie auch ihrer selbst handeln. Niemand könne dieses Prinzip bestreiten, ohne sich dadurch in einen Selbstwiderspruch zu verwickeln.

In der Dissertation wird die philosophische Debatte darüber aufgearbeitet, ob Gewirth der große Wurf einer moralischen Letztbegründung nun wirklich (vollständig) gelungen ist oder nicht. Anschließend soll Gewirths Ansatz mit der Autonomen Moral ins Gespräch gebracht werden, deren Anspruch es ist, Ethik vernünftig zu begründen. Neben der Frage, inwiefern sich das 'Prinzip der konstitutiven Konsistenz' in das Konzept Autonomer Moral einpassen lässt, soll es auch grundsätzlich darum gehen, Möglichkeiten, Grenzen und das Selbstverständnis autonomer theologischer Ethik (neu) auszuloten.

 

Benedikt Rauw

„Chancen und Grenzen eines transzendentalen Freiheitsbegriffs unter Berücksichtigung des Zueinanders von Wille und Vernunft für die Begründung sittlicher Urteile.“ (Arbeitstitel)

Der Begriff der Autonomie spielt in den gegenwärtigen Debatten der Angewandten Ethik eine herausragende Rolle, wenn es um die Begründung sittlicher Urteile geht. Den theoretischen Unterbau bildet nicht selten ein Begriff von Autonomie, bzw. Freiheit, der sich mehr oder weniger an die Ausführungen und Verwendungsweisen Immanuel Kants diesbezüglich anlehnt. In der Forschung wird diskutiert, inwiefern der kantische Freiheitsbegriff nicht bloß formal als Begründungsprinzip funktionieren kann und wie materiale Aussagen über Ansprüche und Grenzen im moralischen Leben abgesichert werden können.

Die Forschungsarbeit beschäftigt sich mit der Rezeption des kantischen Autonomiebegriffs insbesondere bei Christine Korsgaard, einer zeitgenössischen amerikanischen Philosophin, die, wie ihr Lehrer John Rawls, dem kantianischen Konstruktivismus zugerechnet wird. Sie entwickelt eine Perspektive auf den transzendentalen Freiheitbegriff, der einerseits der erstpersonalen Perspektive der Moral verpflichtet ist und der andererseits durch irreduzible Geltungskriterien als universale Begründungsinstanz für sittliche Urteile fungieren kann. Wichtig ist dabei, wie in der Ideengeschichte des Autonomiebegriffs überhaupt, das Zueinander von Vernunft, die etwas als wertvoll, bzw. gut vorstellt, und dem Willen, der das Handeln auf das Erstrebenswerte ausrichtet.

Mit dieser Theorie versucht die Arbeit die Frage zu beantworten, welche Rolle ein kantischer Freiheitsbegriff spielen kann, ohne der Gefahr der materialen Bedeutungslosigkeit zu erliegen.

 

Lizentiatsprojekte

Mykola Lesiuk

Menschenwürde und KI: Analyse des Konzepts der EU-Kommission „Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI“

Das Forschungsprojekt berührt nicht nur allgemein die moralisch-ethischen Probleme der KI-Anwendung, sondern es untersucht spezifischer, ob bzw. wie Künstliche Intelligenz die Menschenwürde bedroht. Um diese Frage zu klären, beginnt die Arbeit mit der Entwicklungsgeschichte und dem Verständnis des Begriffs der Menschenwürde in Theologie, Philosophie und Europäischem Recht. In einem zweiten Schritt soll das Verständnis von KI geklärt werden. Anschließend soll das Dokument der EU-Kommission „Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI“ analysiert und vor dem Hintergrund des theologisch-ethischen Begriffs von Menschenwürde bewertet werden.

 

Marko Petsiukh

Gender-Theorie aus Sicht der Katholischen Moraltheologie

Als erstes sollen die Bedeutung des Begriffs „Gender“ und die Geschichte seines Auftretens dargestellt werden. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit Gender aus Sicht der Kirche: Hierzu werden sechs wichtige kirchliche Dokumente untersucht, die über den Genderbegriff oder über die Bedeutung des Geschlechts von Mann und Frau sprechen.

 

Yaroslav Semiv

Traumatisierende Folgen der Abtreibung und Wege der Begleitung der betroffenen Frauen

Das Ziel der Arbeit ist es, das Problem der Abtreibung und ihrer Folgen für die Frau mit Hilfe empirischer Untersuchungen zu erforschen. Zunächst werden die Situationen (rechtlich, kirchlich…) in der Ukraine und in Deutschland vergleichend untersucht. Im zweiten Teil werden psychische und physische Traumata der Frauen diskutiert. Als letztes soll gezeigt werden, welche Rolle Religiosität und Spiritualität im Leben der betroffenen Frauen spielen.