(K)ein sinnvoller Plan Gottes?

Internationale Tagung (7./8. März 2022) mit anschließender Publikation (2023)

Prof. Dr. Christoph Böttigheimer - Prof. Dr. Alexis Fritz

 

Die geplante internationale Tagung zum Thema „(K)ein sinnvoller Plan Gottes“ ist als interdisziplinäres Forschungsvorhaben angelegt und adressiert bzw. integriert verschiedene Themenbereiche der Theologie: Schöpfungslehre, Eschatologie, Anthropologie und Ethik. Im Zentrum steht dabei das Spannungsfeld von Gottes Schöpfungs-/Heilsplan auf der einen und modernen Erkenntnissen der Evolutionsbiologie und Kosmologie auf der anderen Seite. Damit zeigt sich das Vorhaben anschlussfähig an Entwicklungen und Aktivitäten der KU Eichstätt-Ingolstadt, welche sich mit zentralen Fragestellungen nachhaltiger Entwicklung weltweit befassen.

Die Rede von einem „göttlichen Plan“ bildet seit jeher eine unverzichtbare Grundlage christlicher Theologie (vgl. KKK Nr. 302–324). Sowohl in Bezug auf das schöpferische als auch das erlösende Tun und Wirken Gottes wird hierbei von einer grundsätzlichen Zielgerichtetheit ausgegangen, aufgrund derer dem Menschen eine besondere Rolle innerhalb der Schöpfung zugedacht und eine zukünftige Vollendung verheißen wird. Demgegenüber pflegen Naturwissenschaftler*innen jedoch sowohl in der Kosmologie als auch Evolutionsbiologie eine Teleologie mehrheitlich in Abrede zu stellen. Um diese beiden, einander gegenüberstehenden Positionen und Brennpunkte dreht sich das primäre Erkenntnisinteresse der beantragten Tagung.

Die christliche Theologie geht, wie es u. a. im Johannesprolog zum Ausdruck kommt, von der Grundüberzeugung aus, dass der menschgewordene Logos das Wort ist, durch welches alles Sein ins Dasein gerufen wurde. Demnach kann die Schöpfung nicht anders als logosgemäß, d.h. als vernünftig, gedacht werden oder, wie es JOSEPH RATZINGER einst ausdrückte: „In principio erat Verbum – am Anfang aller Dinge steht die schöpferische Kraft der Vernunft.“ (Das Christentum – die wahre Religion? in: ders., Glaube – Wahrheit – Toleranz. Das Christentum und die Weltreligionen, Freiburg 2003, 131–147, hier 146). Diese Vernunfthaftigkeit verbürgt ihre Sinnhaftigkeit.

Nicht von ungefähr wird die christliche Bibel von den Schöpfungserzählungen einerseits und dem eschatologischen Ausblick andererseits eingerahmt. Die christliche Sinnoption ist folglich genuin teleologischer Art: ausgehend vom göttlichen Urgrund wird Mensch, Welt und Geschichte am Ende aller Zeiten ein Ziel, nämlich die Aufnahme in die göttliche Gemeinschaft (vgl. DV 2) verheißen. So vertraut allerdings die Rede vom Schöpfungs- oder Heilsplan Gottes bzw. von der Wohlgeordnetheit der Schöpfung klingt, umso mehr fällt auf, dass die Aussage, die Welt trage Vernunft in sich, theologischerseits wenig bis kaum plausibel zu machen versucht wird.

Augenscheinlich wird die diesbezügliche Forschungslücke bzw. lacuna insbesondere bei Recherchen in der Internationalen wissenschaftlichen Open-Access-Bibliographie für Theologie und Religionswissenschaft (Index Theologicus), wo sich unter dem Stichwort „Plan Gottes“ lediglich zwei Einträge finden, die allerdings nur einen losen Bezug zu den für die wissenschaftliche Tagung angedachten Fragestellungen aufweisen (vgl. BLUM, PAUL RICHARD, Gottes Plan. Von der Physikotheologie zur Theophysik, in: Philosophisches Jahrbuch 109 (2002), 271–282; DAVIES, PAUL C.W., Der Plan Gottes. Die Rätsel unserer Existenz und die Wissenschaft, Frankfurt a.M. 2001). Ein weiteres Indiz für das Forschungsdesiderat, welches die Tagung füllen möchte, ist das theologische Schweigen angesichts offenkundig sinnloser Katastrophenereignisse wie etwa einem Tsunami oder einer Pandemie. Daher stellt sich die zentrale Frage: Wie verhält sich das offensichtlich Sinnwidrige zur Vernunfthaftigkeit der Schöpfung? Nicht nur das Theodizee-Problem lässt an der Vernünftigkeit der Welt zweifeln, auch in der Auseinandersetzung mit den modernen Naturwissenschaften fällt es der Theologie heute schwer, die Rede vom „Plan Gottes“ einsichtig zu machen. Theologischerseits stellen sich hier oftmals kaum bedachte Problemstellungen, weil Hamartiologie, Soteriologie und Eschatologie vielfach allzu anthropozentrisch verengt konzipiert werden. Wie kann beispielsweise der Fall des Menschen Auswirkung auf das gesamte Universum haben, so dass die Schöpfung insgesamt in „Geburtswehen“ (Röm 8,22) liegt? Wie soll der erst seit ca. 300.000 Jahren existierende Homo Sapiens den schöpferischen Plan für ein bereits seit Jahrmilliarden bestehendes Universum von unfassbarer Ausdehnung in Unordnung bringen können? Sollen Schöpfungslehre und Eschatologie miteinander korrelieren, so fragt man sich: Weshalb findet sich dann keine ausgeprägte kosmologische Eschatologie? Wie kann angesichts einer sich selbst organisierenden Natur, die von natürlicher Selektion im Zusammenspiel mit Zufallsprozessen geprägt ist, die Rede von der Vernünftigkeit und Zielgerichtetheit der Welt einsichtig gemacht werden? Stellt die Autonomie von Mensch und Welt einen Schöpfungsplan nicht grundsätzlich in Frage? Ist der Mensch „Krone der Schöpfung“ oder lediglich eine der jüngsten Blüten am Baum der Evolution, die in Zukunft womöglich noch durch eine andere Art von Hominiden bzw. andere, vielleicht noch höher entwickelte Spezies abgelöst werden wird? Lassen sich aus dem göttlichen Willen bzw. aus der Schöpfungsordnung zudem ethische Normen und Implikationen ableiten oder werden diese aufgrund der evolutionären Einbindung des Menschen in die Biosphäre eher obsolet?

Eine kritische interdisziplinäre Reflexion solcher und ähnlicher Fragen kann einen wichtigen Beitrag zur Klärung eines grundlegenden Axioms christlich-abendländischer Theologie (göttlicher Schöpfungsplan) leisten, dem seitens der Forschung bislang zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Zugleich steht zu erwarten, dass die Theologie dadurch für aktuelle Debatten (ökologische Krise, Debatte um den Klimawandel etc.) transdisziplinär anschluss- und auskunftsfähig gemacht werden kann.