Herr Bock, Sie sind Jahrgang 1982 und kommen aus Düsseldorf. Nach dem Studium an der Ruhr-Universität Bochum und einem Auslandssemester in Padua haben sie in Bochum promoviert und sind seit 2013 als Postdoc an der Universität Tübingen. Was gefällt Ihnen an der Theologischen Fakultät und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt?
Zur Universität Eichstätt-Ingolstadt habe ich bisher vor allem durch Archivrecherchen Kontakte gehabt (s. unten) und dabei bereits einen sehr positiven Eindruck gewonnen. Als einzige katholische Universität in Deutschland strahlt Eichstätt für einen katholischen Theologen natürlich von vornherein einen besonderen Reiz aus. Im Wintersemester 2016/17 freue ich mich darauf, die KU „von innen“ kennenzulernen: in intra- und interdisziplinären Gesprächen mit ProfessorInnen und MitarbeiterInnen der Theologie, aber auch etwa der Germanistik und Geschichtswissenschaften. Im positiven Sinne „gespannt“ bin ich natürlich auch auf die Zusammenarbeit mit den Studierenden. Last but not least antworte ich aus fachlicher Perspektive. Für meine Veranstaltungen habe ich mich in den letzten Wochen etwas mit der Diözesangeschichte auseinandergesetzt: Die frühe Gründung des Bistums und z.B. auch die Resistenz vieler Eichstätter KatholikInnen während des Nationalsozialismus üben für den Kirchenhistoriker natürlich eine Faszination aus.
Was möchten Sie - neben dem inhaltlichen Curriculum - den Studierenden vermitteln?
Kirchengeschichte ist mehr als der aus dem Schulunterricht wohlbekannte Strahl von Jahreszahlen und geradezu endlos erscheinenden Ereignisketten! Mit Andreas Holzem verstehe ich Kirchengeschichte als „Geschichte des geglaubten Gottes“: Indem wir uns mit den Menschen befassen, die vor uns Christen gewesen sind, sprechen wir von ihren Erfahrungen mit Gott. Und zwar von dem Gott, wie er von vergangenen Zeitgenossen geglaubt, geliebt, gefürchtet, erlitten und zurückgewiesen wurde. Solche geschichtlichen Formen menschlichen und gläubigen Daseins können dabei helfen, das 21. Jahrhundert, gekennzeichnet durch einen weitgehend flächendeckenden Abbruch von volkskirchlichen Strukturen, zu verstehen. Denn die „klassische“ religiöse Sozialisation über Familie, Pfarrei und/oder Verein ist heute mehrheitlich nicht mehr die Regel. Hier setzt die gegenwärtige Funktion von Kirchengeschichte an: Die historische Theologie macht Traditionen und Zeugnisse des christlichen Glaubens in unserem Lebensumfeld erinnerlich und lehrt uns, darin Fragen unserer heutigen pluralen und multikulturellen Gesellschaft zu erkennen – ohne freilich Lösungen im 1:1-Format parat zu haben. Diese Sensibilität für Fragen der Gegenwart aus historischer Kenntnis heraus den Studierenden mitzugeben und ihnen zu zeigen, dass Kirchengeschichte nichts mit „l’art pour l’art“ zu tun hat, ist mir ein Anliegen.
Woran forschen Sie momentan?
Neben Fragen zur Kirchengeschichtsdidaktik an Schule und Hochschule gelten meine bisherigen Forschungsschwerpunkte zwei Epochen: Zum einen der kirchlichen Zeitgeschichte und hier vor allem der Chiffre „1968“ und den Jahren nach dem soziökonomischen Boom (1970er). Was hieß es eigentlich, in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Zweitem Vatikanum und aufkommender Friedensbewegung katholisch zu sein?
Ein zweites kirchengeschichtliches Standbein stellt mein Habilitationsprojekt zu Predigten zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung dar. Predigtpostillen z.B. können als die Massenmedien der frühen Neuzeit gelten und geben darüber Aufschluss, wie in damaliger Weltsicht Gott und Gesellschaft miteinander interagierten. Diese theologische Kommunikation ist weiter zu fassen als wir heute gemeinhin annehmen und umfasste etwa auch politische und ökonomische Aspekte. Darf ich als gläubiger Kaufmann Zinsen nehmen? Wie soll ich mich als Katholik in der Großstadt verhalten? Was unterscheidet den „guten“ vom „schlechten“ Armen, wer hat die Almosen wirklich verdient? Mein hauptsächlicher Quellenbestand lagert übrigens in der UB Eichstätt.
Was machen Sie jenseits der Theologie noch gerne?
Rennradfahren! Ob und wie sehr das schöne Altmühltal dafür geeignet ist, möchte ich im Winter ausprobieren. Ob meine Zeiten aber für Olympisches Edelmetall ausreichen, würde ich eher bezweifeln...
Ansonsten bin ich mir nicht sicher, ob „gerne machen“ dafür die richtige Formulierung ist: Aber ich war in Tübingen sehr stark in die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit involviert – dieses Engagement aus christlicher Verantwortung würde ich in Eichstätt gerne fortsetzen.
Vielen Dank für das Gespräch!