Eine prominent besetzte Runde aus Kirche, Wirtschaft und Wissenschaft analysierte zunächst aus jeweiliger Perspektive die Genese der Wirtschaftskrise. Als „einer, der sich sein ganzes Leben nur mit Banken beschäftigt hatte“ berichtete Dr. Bernd Thiemann (Vorsitzender des Aufsichtsrates der Hypo Real Estate Holding AG) über eine „bemerkenswerte Metamorphose“ des Menschenbildes in seiner Zunft. Noch vor 30 Jahren hätten Banken versucht, zu dienen und zu leisten. Ein Slogan der damaligen Zeit habe gelautet „Vor dem Soll und Haben steht der Mensch“, die heutige Werbung verspreche dagegen „Leistung aus Leidenschaft“. Eine zweite Krise solchen Ausmaßes, deren Auswirkungen immer noch spürbar seien, würden die Staaten nicht überstehen können, warnte Thiemann.
Prof. Dr. Wolfgang Wiegard („Wirtschaftsweise“ im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) beschrieb, dass in der Ökonomie der Mensch in erster Linie bezogen auf seine wirtschaftlichen Entscheidungen Gegenstand der Forschung sei, auch wenn die reine Lehre vom „homo oeconomicus“ mittlerweile auf dem Prüfstand sei. Zentrale Verhaltenshypothese sei, dass jeder versuche, das Beste aus einem Leben zu machen. Als Folge der Finanzkrise habe sich gezeigt, dass Instrumente zur Kontrolle der Finanzmärkte, die bereits stark reguliert gewesen seien, überdacht werden müssten. Zwar müsse verhindert werden, dass das Verhalten Einzelner Auswirkungen auf die Gemeinschaft hat. „Jedoch darf nicht überreguliert werden, um den menschlichen Impuls für wirtschaftliches Handeln nicht abzuwürgen“, so Wiegard. Marie-Luise Dött (Vorsitzende des BKU) gab zu bedenken, dass man jedoch auch bei aller staatlichen Regulierung überlegen müsse, für welchen Bereich man selbst verantwortlich sei.
Pater Dr. Hans Langendörfer SJ (Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz) betonte, dass es eine Aufgabe sowohl von Kirche als auch von Politik sei, den Mensch auch dann als Ressource anzusehen, wenn er z.B. nicht mehr leistungsfähig sei. Langendörfer sprach von einem „riesigen Problemstau in der Wirtschaft“ und stellte die Frage in den Raum, wie sich die Logik so weiten lasse, dass der Mensch innerhalb des Wirtschaftssystems nicht nur als wirtschaftliches Subjekt, sondern auch z.B. als Familienmensch wahrgenommen werden? Bettina Kraemer (Direktorin Personal, Schüco International KG) beschrieb in diesem Zusammenhang die Investition in die eigenen Mitarbeiter z.B. durch eine familiengerechte Ausrichtung nicht als Last, sondern als wirtschaftliche Notwendigkeit, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Arbeit ist ein menschliches Bedürfnis und bedarf der Anerkennung“, so Kraemer.
Einen mittel- bis langfristigen Ausweg aus bekannten Denk- und Verhaltensmustern der Wirtschaft sah HRE-Aufsichtsrat Thiemann in der Bildung, die jungen Menschen mehr Breite und Tiefe vermitteln solle. Pater Langendörfer schlug dahingehend ein gezieltes „Displacement“ in der Ausbildung vor, um Herz und Kopf durch Einblick in andere Lebens- und Arbeitsbereiche zu weiten. Ergänzend plädierte Bettina Kraemer dafür, in Unternehmens-Rankings beispielsweise auch die Investitionen in Mitarbeiter und soziales Engagement als Kriterien mit aufzunehmen.