„Vom Konflikt zur Gemeinschaft“. Unter diesem Titel stand das diesjährige Kontaktstudium im Bistumshaus „Schloss Hirschberg“. Drei Tage lang, vom 27. bis zum 29. Oktober, gab Prof. Dr. Manfred Gerwing, Vorsitzender der Ökumene-Kommission der Diözese Eichstätt, einen Einblick in die theologischen Grundlagen dessen, was Katholiken und Lutheraner im Jahr 2017 bedenken: 500 Jahre Reformation.
Eingeladen hatte Domkapitular Msgr. Paul Schmidt, Leiter der Hauptabteilung II, der Personalkammer der Pastoral des Bischöflichen Ordinariats Eichstätt. Gekommen waren rund 150 Personen: Priester, Ständige Diakone, Religionslehrerinnen und –lehrer, Pastoralreferentinnen und –referenten, Gemeindereferentinnen und –referenten sowie Gemeindeassistentinnen und – assistenten der Diözese. Paul Schmidt eröffnete die Tagung und stellte den Tagungsverlauf vor: "Am Vormittag hat die hohe Theologie das Wort, am Nachmittag wird der Blick in die Praxis geworfen."
Die Verantwortung für die theologischen Anteile hatte Professor Gerwing, Lehrstuhlinhaber für Dogmatik und Dogmengesichte an der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Für den Blick in die Praxis war Domkapitular Alois Ehrl, Pfarradministrator in Schwach St. Sebald, zuständig.
Zunächst wurde über „Rechtfertigung“ gesprochen. Letztlich gehe es dabei um die Frage, die alle Religionen umtreibe: Wie kann der Mensch sein Heil finden, sein ewiges Glück in Gott? Martin Luther, so erklärte Prof. Gerwing, habe eine seiner grundlegenden reformatorischen Einsichten aus der Besinnung auf das gewonnen, was in paulinischer Theologie „Rechtfertigung“ heiße. Mit der Beantwortung der Frage nach der „Rechtfertigung“ stehe und falle die Kirche, wie der Reformator seinerzeit betonte. Und ausgerechnet in dieser zentralen Frage konnte 1999 in Augsburg eine Übereinstimmung in Grundfragen zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Katholischen Kirche feierlich festgestellt werden. Dabei erklärten beide Seiten, dass ihre im 16. Jahrhundert artikulierten Verurteilungen der jeweils gegnerischen Positionen den Dialogpartner heute nicht mehr treffen.
Um solch eine Übereinstimmung formulieren zu können, waren Geduld und Ehrfurcht vor der Wahrheit gefragt. Der Übereinstimmung war nämlich ein jahrzehntelanger, intensiver und mühseliger theologischer Forschungs- und Dialogprozess vorausgegangen. Der Eichstätter Dogmatiker zeichnete den Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft nach. Immer wieder präsentierte er dabei auch eigene Forschungsergebnisse. „Die Dokumente von ehedem mussten Satz für Satz, Wort für Wort, Punkt für Punkt durchgearbeitet, bewertet und einer kritischen relecture unterzogen werden.“
In einem zweiten Vortrag wurden sodann von Professor Gerwing weitere Hauptthemen der Theologie Martin Luthers genannt, die ökumenisch seit langem intensiv reflektiert werden: Fragen zur Eucharistie, zum Amts- und Kirchenverständnis und zur Bewertung von Schrift und Tradition. Auch in diesen Fragen seien in den letzten 50 Jahren beachtliche Fortschritte erzielt worden, auch hier gehe der Weg vom Konflikt zum Konsens.
Überdies wurden am Nachmittag in Kleingruppen „fünf ökumenische Imperative“ vorgestellt und im Blick auf die konkrete Praxis vor Ort besprochen. Domkapitular Ehrl formulierte aus seiner pastoralen Erfahrung heraus: Es gelte innerhalb der Ökumene erstens stets von der Perspektive der Einheit und nicht von der Spaltung auszugehen; zweitens gelte es, sich „durch das gegenseitige Zeugnis des Glaubens verändern“ zu lassen; drittens sei das in der Ökumene bereits Erreichte immer wieder neu zu sichern; viertens müsse gemeinsam das Evangelium Jesu Christi „für unsere Zeit“ wiederentdeckt und – fünftens – der Welt heute immer wieder gemeinsam bezeugt werden.
Auch wenn die volle, sichtbare Einheit der Kirche noch nicht erreicht ist, wurden Perspektiven deutlich. Eine Teilnehmerin stellte am Ende der Tagung fest: "Wir sind auf einem guten Weg, auf dem Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft.“