Gewerbesteuervermeidung zu Lasten von Kommunen: KU-Studentin untersucht Lücken in der Überprüfung

Verluste steuerlich geltend machen: Ein Weg, um Firmen aus Krisen zu helfen.
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Jede Kommune in Deutschland kann die Gewerbesteuerbelastung für ansässige Firmen selbst bestimmen, lediglich ein Mindestsatz ist bundesweit festgelegt. Deswegen unterscheiden sich die Steuersätze zum Teil um über zehn Prozentpunkte – und das machen sich zahlreiche Firmen zunutze. Sie umgehen die höhere Steuerbelastung, indem sie sich, tatsächlich oder fiktiv, an einem günstigeren Standort ansiedeln. Welche Strategien die Unternehmen dafür genau aufwenden und wie dagegen vorgegangen werden kann, hat Viktoria Feller in ihrer Masterarbeit unter Einbindung von Experteninterviews mit kommunalen Gewerbesteuerprüfern und Vertretern der Finanzverwaltung untersucht.

Sie absolvierte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) den Masterstudiengang Taxation, vor und während ihres Masters war sie in Festanstellung bei einer Steuerberatergesellschaft. Angesiedelt ist die Abschlussarbeit an das KU Research Institute for Taxation. „Am KU Research Institute for Taxation führen wir Forschungsprojekte zu verschiedenen steuerlichen Themen durch. Ein Schwerpunkt ist das Thema ‚Steuern und Gerechtigkeit‘", erklärt Prof. Dr. Dominika Langenmayr, die das KU Research Institute for Taxation leitet und die Masterarbeit Fellers betreut hat. „Gerechte Steuern setzen voraus, dass Steuern, wie gesetzlich vorgesehen, gezahlt und nicht hinterzogen werden. Die Masterarbeit von Frau Feller beleuchtet dabei einen höchst relevanten Bereich, da die Gewerbesteuer ungefähr die Hälfte der Steuerbelastung auf Gewinne darstellt, in bisherigen Forschungsarbeiten aber wenig berücksichtigt wurde.“

Viktoria Feller
Viktoria Feller

„Einige Unternehmen mit mehreren Standorten verteilen die Steuerlast stärker auf die Standorte, an denen der Gewerbesteuerhebesatz günstiger ist“, erläutert Feller. Beispielsweise durch konzerninternen Arbeitnehmer-Verleih – dabei werden Mitarbeitende offiziell am Standort mit dem geringeren Hebesatz angestellt und an den Standort mit einem höheren Hebesatz verliehen. „Das ist einer der Tricks, um die Steuerlast zu verringern.“ Andere Firmen wiederum gründen, wie Feller anführt, Briefkastenfirmen in Kommunen mit niedrigerem Gewerbesteuersatz, um Geld zu sparen. „Das ist ein klassischer Fall, eine Betriebsstätte dort besteht meist gar nicht.“

Manche Unternehmen gründen eigens Lizenzgesellschaften in Niedrigsteuergemeinden, um die Einnahmen, die durch die Lizenzen entstehen, günstiger versteuern zu können. „Sofern den Gemeinden durch das Tätigwerden von Unternehmen Lasten entstehen und ihnen keine Gewerbesteuer als Ausgleich mehr zusteht, widerspricht das dem Prinzip der Gewerbesteuer.“

Bei ihren Analysen mittels öffentlich zugänglicher Informationen aus dem Handelsregister und Bundesanzeiger hat Feller unter Angabe realer Unternehmensbeispiele gezeigt, dass sich Steuervermeidungsstrategien auch bei mittelständischen Firmen abzeichnen – nicht nur bei Großkonzernen. Allerdings ist es laut Feller zum Teil nur unter extrem hohem Aufwand möglich, rein steuerlich motivierte Gestaltungen tatsächlich nachzuweisen: Beispielsweise lasse sich nicht in der Kürze einer Außenprüfung nachvollziehen, ob alle Mitarbeitenden dem richtigen Standort zugeordnet sind, oder ob eine Steuervermeidungsstrategie, anknüpfend an die Gewerbesteuerzerlegung, vorliegt. Auch das Aufspüren von Briefkastenfirmen nimmt enorm viel Zeit in Anspruch.

Feller stellte im Rahmen der Experteninterviews fest, dass Gemeinden – unter anderem aufgrund fehlender Informationsrechte und Expertise sowie Personalmangels – nicht die Möglichkeit haben, rein steuerlich motivierte Gestaltungen, die zu ihren Lasten gehen, im Alleingang aufzudecken. Obwohl die Kommunen, nachdem ihnen die Gewerbesteuer vollumfänglich zusteht, einen großen Anreiz haben, diese zu unterbinden. „Den Gemeinden geht es finanziell gesehen nicht gut – und die Gewerbesteuer ist ihre größte Einnahmequelle“, erklärt Feller.

Ihre Masterarbeit hat gezeigt, dass vielmehr die Finanzverwaltung die steuerrechtlich gar nicht anerkannten ,Briefkastengesellschaften‘ in Niedrighebesatzgemeinden identifizieren und das Modell verhindern könnte. „In den Interviews hat sich abgezeichnet, dass die Finanzverwaltung zurzeit Instrumente und Mechanismen entwickelt, um gezielter und schneller Ermittlungen gegen Scheinfirmensitze vornehmen zu können. Wie diese konkret aussehen sollen, wurde nicht bekannt gegeben.“ Laut Feller könnte eine eigene Stabstelle, die solche Arbeiten übernimmt, sinnvoll sein.