Lebensmittellogistik immer komplexer: Fresh Food Supply Chain Workshop

Was tun Lebensmittelproduzenten, um für volle Regale trotz steigender Energie- und Kapitalkosten zu sorgen? Diese und weitere Fragen erörterten Firmenvertreterinnen und -vertreter mit über 150 Studierenden und Forschenden von sieben Hochschulen in einem Online-Workshop. Mitarbeitende von Gerolsteiner, Müller-Milch, RAPS und Die Frischemanufaktur präsentierten die aktuellen Herausforderungen im Supply Chain Management ihres Unternehmens und standen anschließend in einer Panel-Diskussion Rede und Antwort. Beteiligt waren außerdem Prof. Dr. Christian Fikar (Universität Bayreuth), Prof. Dr. Andreas Holzapfel (Geisenheim University), Prof. Dr. Alexander Hübner (TU München), Prof. Dr. Heinrich Kuhn (KU Eichstätt-Ingolstadt), Prof. Dr. Manuel Ostermeier (Universität Augsburg), Prof. Dr. Michael Sternbeck (TH Ingolstadt) sowie Prof. Dr. Sandra Transchel (Kühne Logistics University).

Saisonales Geschäft, Wetterschwankungen und zunehmendes Aktionsgeschäft erschweren die Planung von Produktion und Distribution im Getränkevertrieb: Das stellte Roland Keul, Leiter Supply Chain Management und Logistik von Gerolsteiner Brunnen, in seinem Vortrag heraus. Auch bei Müller Milch stellt die saisonalbedingt stark schwankende Nachfrage eine besondere Herausforderung dar, berichtet Dr. Benedikt Scheckenbach, Leiter Group Supply Chain von der Unternehmensgruppe Theo Müller. Sie erfordert "flexible Zeit- und Schichtarbeitsmodelle, die ohne flexible und verständnisvolle Mitarbeiter:innen nicht möglich wären”, wie Roland Keul für Gerolsteiner darlegte.

Die Nutzung von KI-basierten Absatzprognosen in Kombination mit Erfahrungswissen hilft Gerolsteiner dabei, die notwendigen saisonalen Bestände aufzubauen und so ständige Verfügbarkeit sicherzustellen. Bestände binden jedoch Kapital, welches auf­grund gestiegener Zinsen stärker als bisher zu Buche schlägt. Die mangelnde Bereitschaft des Handels, Point-of-Sale-Daten für die Lebensmittelhersteller zur Verfü­gung zu stellen, verhindert eine höhere Supply Chain Transparenz. “Hierdurch ließen sich die Absatzprognosen erheblich verbessern”, erläutert Dr. Benedikt Scheckenbach.

Schwankende Nachfrage bei frischen Produkten lässt sich jedoch nur sehr begrenzt durch Bestandsaufbau kompensieren, da deren Lagerfähigkeit durch das Mindesthaltbar­keitsdatum eingeschränkt ist. Erschwerend kommt bei Milch beispielsweise der sogenannte Milch­druck hinzu, der Verkaufspreise und Nachfrage beeinflusst. Milchdruck resultiert aus den mit der Landwirtschaft langfristig geschlossenen Abnahmeverträgen. Dadurch muss das Supply Chain Manage­ment fortlaufend ent­scheiden, zu welchen Produkten, beispielsweise Butter, Drinks oder Quark, die Milch weiterverarbeitet wird, um einerseits ausreichend Produkte herzustellen, aber andererseits Überbestände zu vermeiden, die dann rabattiert verkauft werden müssen. Eine gesamthafte Supply Chain Planung soll dem entgegenwirken.

Aspekte der Nachhaltigkeit und des sozialverantwortlichen Handelns stehen bei RAPS aktuell im besonderen Fokus, wie Michael Unger, Prokurist und Leiter Logistik der Gewürzfirma RAPS, darstellt. Daher hat das Unternehmen eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, hält sich an einen strengen Sozialkodex und setzt auf regelmäßige Vor-Ort-Besuche der Lieferanten. RAPS unterhält zahlreiche Lieferbeziehungen in weitentfernte Länder und ist daher insbesondere in Hinblick auf schwankende Liefermengen und -qualitäten sowie entstehende Transportkosten, Nachhaltigkeitsfragen und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gefordert.

Dr. Jenny Müller, Gründerin von Die Frischemanufaktur, verdeutlichte die organisato­rischen Herausforderungen eines Start-Ups im Vertrieb. Das Unternehmen hält ein Patent auf die Haltbarmachung von aromatisiertem Wasser, das mit frischen Kräutern und frischem Obst bestückt ist. Dr. Jenny Müller schilderte beispielhaft die Problematik, dass die von ihnen verwendete Glasflasche auch für andere Produktarten verwendet werden kann. Hier führen dann aber unterschiedliche Mehrwertsteuersätze zu Abrechnungsproble­men im Pfandsystem.

An die Vorträge schloss eine Panel-Diskussion an, in der die Unter­nehmen über Nachhaltigkeitsstrategien, die Vermeidung von Lebensmittelabfällen, die Klimakrise, sinkende Grundwasserspiegel und die beson­deren Herausforderungen der zunehmenden Produkt-Komplexität durch die marktli­chen Anforderungen nach veganen, glutenfreien und/oder der Freiheit von Allergenen und Konservierungsstoffen diskutierten.