Neues Mathematisches Institut für Maschinelles Lernen und Data Science an KU gestartet

Mit ihrem neuen Mathematischen Institut für Maschinelles Lernen und Data Science (MIDS) will die KU dazu beitragen, die Potenziale von Digitalisierung wissenschaftlich auszuschöpfen und jungen Menschen die Grundlagen der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens zu vermitteln. Die hochkarätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die am MIDS tätig sind, forschen im Bereich der Klima- und Wettersimulation, der Data Science, des Deep Learning und der zugehörigen mathematischen Grundlagen. Das in Ingolstadt angesiedelte Institut wird von der Stadt Ingolstadt über mehrere Jahre hinweg mit zwei Stiftungslehrstühlen unterstützt.

Bei der Vorstellung des neuen Instituts betonte Prof. Dr. Jens Hogreve, Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der KU: „Wir betrachten Digitalisierung als Querschnittsthema, um einen Beitrag für eine am Menschen orientierte digitale Gesellschaft zu leisten. Dafür ist es zentral, auch eigene Expertise im mathematischen Bereich etablieren, die wiederum Grundlage ist für die Anwendung und Reflexion von Data Science und Künstlicher Intelligenz.“ Ingolstadts Wirtschaftsreferent Prof. Dr. Georg Rosenfeld ergänzt: „Das neue Institut unterstützt die Profilierung Ingolstadts als Standort exzellenter Forschung und Lehre im Bereich anwendungsorientierter und verantwortungsbewusster Digitalisierung. Wir freuen uns, dass unser Engagement schon jetzt Früchte trägt, indem namhafte Persönlichkeiten und zusätzliche externe Förderungen gewonnen werden konnten“.

Einen Forschungsschwerpunkt des MIDS bilden die Grundlagen des Maschinellen Lernens. Heutzutage erreichen Algorithmen des maschinellen Lernens in vielen Anwendungen eine Leistung nahe an der des Menschen, oder sogar darüber hinaus. Beispiele hierfür sind die Bilderkennung (z.B. Tumorerkennung in der Medizin), Spracherkennung oder selbstfahrende Fahrzeuge. Diese Fortschritte beruhen darauf, dass man heutzutage — dank enormer verfügbarer Rechenleistung und Datenmengen — tiefe neuronale Netzwerke erfolgreich trainieren kann. „Trotz dieses immensen Erfolgs in der Praxis fehlt bisher ein umfassendes theoretisches Verständnis dafür, warum diese Methoden so gut funktionieren“, schildert Prof. Dr. Götz Pfander als Sprecher des Instituts und Inhaber des Lehrstuhls für Mathematik/Wissenschaftliches Rechnen an der KU. Zudem sei wiederholt gezeigt worden, dass trainierte neuronale Netze oftmals nicht robust seien und schon minimale, für den Menschen unsichtbaren Änderungen der Eingabe eine falsche Ausgabe erzeugen könnten. Es sei deshalb essenziell, die Gründe für diese Instabilität zu analysieren. „Die existierenden Erfolgsgarantien für das maschinelle Lernen sind zu schwach, um den in der Praxis beobachteten Erfolg zu erklären. Es ist — vor allem für kritische Anwendungen wie in der Medizin — von großem Interesse, auf mathematischer Grundlage verbesserte Garantien zu entwickeln“, so Pfander.

Ein weiterer Schwerpunkt des MIDS besteht in der Verarbeitung von Daten zur Vorhersage von Umweltentwicklungen – etwa für Wettervorhersagen, Klimaforschung oder Bodenforschung. Dabei spielt die Weiterentwicklung der mathematischen Grundlagen dieser Methoden eine große Rolle; diese hat eine hohe Relevanz für ein breites Spektrum an Anwendungen in Wissenschaft und Industrie. Neben der Verknüpfung von physikalischen Zusammenhängen mit begrenzten Messdaten gibt es eine andere Herausforderung bei der Modellierung solcher komplexen Systeme: Sie bestehen aus Teilen, die sich in verschiedenen Größen und Zeiträumen abspielen. So erstreckt sich das Wetter von der Bildung einer einzelnen Schneeflocke bis hin zum Verlauf der Jahresmitteltemperaturen. Eine Computersimulation muss sich aber immer auf einen Teil der in der Wirklichkeit vorhandenen Skalen beschränken – die kleineren oder größeren Skalen müssen modelliert werden. Am MIDS arbeiten Forschende deshalb an mathematischen Methoden, um solche Multiskalenprobleme zu modellieren und zu simulieren.

Bei der Ausgestaltung solcher Simulationen will das MIDS auch den Aspekt von Nachhaltigkeit in den Blick nehmen. Denn komplexe Algorithmen benötigen immense Rechenleistung, was zu einem hohen Energieverbrauch führt. Dieses Problem anzugehen ist ein zentrales Ziel des Verbundprojekts „Resource Aware Artificial Intelligence for Future Technologies” an dem Prof. Dr. Felix Voigtlaender, Lehrstuhl für Reliable Machine Learning der KU, im Verbund mit der FAU Erlangen-Nürnberg, der TU München und der Universität Bayreuth beteiligt ist. Dieser Lehrstuhl ist ebenfalls am MIDS angesiedelt und wird über die Hightech Agenda Bayern gefördert. Die KU hatte sich dafür erfolgreich in einem Wettbewerb des Freistaates Bayern um neue Professuren für das Themenfeld Künstliche Intelligenz beworben.

Die Professoren und Professorinnen des MIDS bilden außerdem den fachlichen Kern des neuen Bachelorstudiengangs „Data Science“, der zum Wintersemester an der KU startet. Ziel dieses Studiengangs ist es, hochqualifizierte Fachkräfte für Industrie und Forschung auszubilden, die ihre Expertise mündig und verantwortungsbewusst einbringen. Der Studiengang vermittelt die Grundlagen des maschinellen Lernens und anderer aktueller Verfahren zur Datenanalyse, sowie die Fähigkeit, diese Verfahren mit modernen Softwaretechnologien effizient umzusetzen.

Informationen zum MIDS finden sich unter www.ku.de/mids, Details zum neuen Bachelorstudiengang „Data Science“ finden Studieninteressierte unter www.ku.de/ds.

Kurzporträts der Professorinnen und Professoren des MIDS

Janjic

Prof. Dr. Tijana Janjic ist Heisenberg-Professorin für Datenassimiliation an der KU und Mitglied im Vorstand des DFG Sonderforschungsbereichs TRR 165 „Wellen, Wolken, Wetter“. Um Unwetterereignisse oder das Abschmelzen des Eises in der Arktis vorhersagen zu können, müssen Informationen in Form von heterogenen Daten mit numerischen Modellen dynamischer Systeme verbunden werden. Dies geschieht durch die Datenassimilation, die es ermöglicht, Prozesse besser zu untersuchen und ihre weitere Entwicklung vorherzusagen.  Im Bereich der Datenassimilation beschäftigt sich die Professur mit der Fortentwicklung von Data Science Algorithmen durch die Einbeziehung von physikalischen Erhaltungsgesetzen und der Lösung entsprechend großer Optimierungsprobleme in den Umweltwissenschaften.  Die Quantifizierung der Unsicherheiten von Vorhersagen, numerischen Modellen und Beobachtungen spielt hier ebenfalls eine zentrale Rolle.

Prof Dr Marcel Oliver

Prof. Dr. Marcel Oliver ist Inhaber des von der Stadt Ingolstadt gestifteten Lehrstuhls für Angewandte Mathematik. Er arbeitet an der Simulation und Modellierung von komplexen Mehrskalensystemen wie sie z.B. in der Klimaforschung, aber auch in den Material- und Biowissenschaften auftreten.  Trotz exponentiell ansteigender verfügbarer Leistung auf Supercomputern sind die Unterschiede zwischen den kleinsten und den größten relevanten Phänomenen oft so extrem, dass wissenschaftlicher Fortschritt nur durch bessere Algorithmen, bessere Parametrisierungen – die vereinfachte Beschreibungen kleinskaliger Prozesse – und die verstärkte Nutzung von Daten erzielt werden kann.  Die in der Arbeitsgruppe verfolgten Ansätze umfassen strukturerhaltende und energiekonsistente Algorithmen, mathematische Methoden der Modellreduktion sowie dynamische, stochastische bzw. datenbasierte Modelle zur Repräsentation von numerisch nicht darstellbaren kleinskaligen Prozessen.

Prof Dr Götz Pfander

Prof. Dr. Götz Pfander hat an der KU den Lehrstuhl für Mathematik/Wissenschaftliches Rechnen inne und ist Sprecher des MIDS. Er analysiert und entwickelt Verfahren zur Messung, Analyse und Digitalisierung von kontinuierlichen Signalen, Bildern und Operatoren. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der sogenannten Abtasttheorie von Signalen und Operatoren sowie dem Compressed Sensing, mit dem man die Zahl der nötigen Messungen reduziert, um ein Signal — wie etwa ein Bild in der Computertomographie — aus den Messungen zu rekonstruieren.

Prof Dr Dominik Stöger

Juniorprofessor Dr. Dominik Stöger hat eine von sieben Juniorprofessuren inne, die zum Tenure-Track-Programm der KU zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gehören, das mit rund fünf Millionen Euro aus dem entsprechenden Bund-Länder-Programm gefördert wird. Den Rahmen für den fachübergreifenden Austausch zwischen den insgesamt sieben Juniorprofessuren bildet ein Konzept zum Oberthema „Eine am Menschen orientierte digitale Gesellschaft“. Die Forschung von Professor Stöger befasst sich mit der Entwicklung und Analyse von mathematischen Methoden im maschinellen Lernen und in der Signalverarbeitung – etwa im Hinblick auf mathematische Grundlagen zur Frage Frage, wie viele Daten für eine valide und sichere Aussage wirklich nötig sind.

Prof Dr Felix Voigtlaender

Prof. Dr. Felix Voigtlaender hat den durch die HighTech-Agenda Bayern finanzierten Lehrstuhl für Reliable Machine Learning inne. Gefördert wird seine Forschung auch durch das Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Forschung des Lehrstuhls beschäftigt sich mit der mathematischen Analyse von Machine Learning Algorithmen, insbesondere von modernen Algorithmen des Deep Learning. Hierbei spielt vor allem die Frage der Stabilität, bzw. Robustheit von Verfahren des Deep Learning eine wichtige Rolle.

Prof Dr Nadja Ray

Prof. Dr. Nadja Ray wird zum Herbst einen weiteren Stiftungslehrstuhl der Stadt Ingolstadt übernehmen. Der Schwerpunkt dieser Professur liegt in Geomatik und Geomathematik. Dies beinhaltet Expertise in inversen Problemen, Modellierung in den Geowissenschaften, Geomonitoring auf Basis mathematisch-statistischer Methoden und die Analyse und Visualisierung raumbezogener Daten und deren Integration in geographische Informationssysteme. Letzteres ist Grundlage für langfristige Planungen in Verkehr, Infrastruktur und Naturgefahrenprävention.