Wenn in Entwicklungs- und Schwellenländern Rentensysteme eingeführt werden, blicken Forschende „aus verständlichen Gründen immer auf den ,direkten Effekt‘, also wie gut dadurch die Armut gesenkt wird“, sagt Prof. Dr. Alexander Danzer. Der Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre/Mikroökonomik an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der KU hat in einer Studie, die er gemeinsam mit Dr. Lennard Zyska von der Universität Hannover durchführte, nun einen anderen Schwerpunkt gesetzt: „Wir haben die Auswirkung auf die Anzahl der geborenen Kinder untersucht. Damit können wir zeigen, dass ironischerweise das Rentensystem selbst zur Überalterung einer Gesellschaft beitragen kann, da es die Fertilität senkt – und damit die zukünftige Beitragsbasis aller umlagefinanzierten Rentensysteme.“
Eine althergebrachte Theorie lautet, dass Kinder früher für die Altersvorsorge ihrer Eltern aufkommen mussten. Die beiden Ökonomen überlegten, wie sich die Stichhaltigkeit dieser Hypothese überprüfen lässt. Sie nahmen hierzu die Einführung eines umfassenden und finanziell lukrativen Rentensystems in Brasilien unter die Lupe. Die Wahl fiel auf dieses Land, da das Rentensystem dort „mit einem experimentellen Charakter“ reformiert wurde, was zu einer für die Studie aussagekräftigen Datenlage führte: „Während Angestellte in Ballungsräumen schon seit mehreren Jahrzehnten in ein staatliches Rentensystem einzahlten, erhielten Beschäftigte und Selbständige im ländlichen Raum Brasiliens erst mit der Verfassungsreform von 1991 Zugang zu staatlicher Altersvorsorge“, erklärt Danzer. Aus dieser Ungleichheit ergab sich für die Forscher eine sogenannte Behandlungsgruppe, nämlich die ländliche Bevölkerung, sowie eine Kontrollgruppe, die städtische Bevölkerung. „In einem Land, in dem alle Bürgerinnen und Bürger gleichzeitig Zugang zu einer einheitlichen Rente erhalten hätten, wäre eine solche Untersuchung nicht durchführbar gewesen.“