Das Wachstumschancengesetz sieht steuerliche Entlastungen und Anreize für Innovationen vor, um Unternehmen in Anbetracht des verschärften Standortwettbewerbs, multipler Krisen und hoher Energiepreise zu unterstützen. Ungeachtet der noch ausstehenden politischen Einigung haben Forscher der Universität Göttingen und der KU die potenziellen Auswirkungen verschiedener steuerlicher Maßnahmen zur Investitionsförderung analysiert: Wie stark würde die Investitionstätigkeit der Unternehmen durch Steuersatzsenkungen, Abschreibungsvergünstigungen und Investitionsprämien angeregt? Welche Folgen hätte dies für den Fiskus?
Im vergangenen November hatte der Bundestag den Gesetzesentwurf beschlossen. Das Wachstumschancengesetz sieht unter anderem die steuerliche Förderung von Investitionen in den Klimaschutz mithilfe einer Investitionsprämie und die beschleunigte Abschreibung von Betriebsgebäuden und beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vor. Nachdem die unionsgeführten Bundesländer ihre Zustimmung zum Gesetz bislang verweigerten, hat der Vermittlungsausschuss in dieser Woche einen Kompromissvorschlag erarbeitet, nach dem einige der zuvor avisierten Erleichterungen allerdings nicht oder nur zeitlich befristet umgesetzt werden sollen. Um das ursprüngliche Konzept umfassend zu realisieren, wurde von einer Seite die Finanzierung über ein „Sondervermögen“ vorgeschlagen. Von anderer Seite werden die Abschaffung des noch verbliebenen Solidaritätszuschlags – also eine Steuersatzsenkung – sowie Einsparungen an anderer Stelle gefordert.
Steuerexpertinnen und -experten der Georg-August-Universität Göttingen und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt haben nun analysiert, welche steuerlichen Wirkungen derartige Entlastungsmaßnahmen haben würden – und zwar einerseits für die Unternehmen und andererseits für den Fiskus. Ihre Untersuchung konzentrierte sich auf die Effekte von Steuersatzsenkungen, beschleunigte Abschreibungen und Investitionsprämien, die im Rahmen des Gesetzes eingeführt würden.
„Unsere Berechnungen zeigen, dass die steuerliche Entlastung, die mit einer Kürzung des Steuersatzes um fünf Prozent verbunden ist, jene Entlastungen, die sich aus der Einführung einer degressiven Abschreibung oder Investitionsprämie ergeben, mehrfach übersteigt“, sagt Prof. Dr. Reinald Koch, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der KU. Dies würde das Steueraufkommen entsprechend beschneiden. Zugleich sei die Wirkung einer Steuersatzsenkung auf Investitionstätigkeiten vergleichsweise gering, da sich Steuersatzsenkungen auf die Kapitalkosten weniger stark auswirkten – anders als gezielte Abschreibungsvergünstigungen und Investitionsprämien.
Die Steuerexperten folgern aus ihrer Analyse, dass eine Senkung des Steuersatzes insbesondere für profitable Unternehmen das Mittel der Wahl darstellt, wenn diese in Bezug auf die steuerliche Belastung unternehmerischer Gewinne ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern möchten. Gelte es hingegen Investitionen am Standort Deutschland zu fördern, seien die Einführung einer degressiven Abschreibung oder Investitionsprämie wirksamer. Allerdings begünstige die Investitionsprämie auch jene Unternehmen, die höhere Abschreibungsbeträge nicht erwirtschaften können, Verluste erzielen oder solche vortragen.
Die Ökonomen weisen verweisen außerdem darauf, dass Investitionsprämien, die über den Barwertvorteil der Einführung einer degressiven Abschreibung deutlich hinausgehen, wie dies im Wachstumschancengesetz für Klimaschutzinvestitionen vorgesehen ist, die Kapitalkosten im größeren Maße senken und entlasten – und damit zugleich zu höheren Einbußen beim Steueraufkommen pro investierte Euros führen. Einschränkend weisen die Experten darauf hin, dass für die Investitionswirkung großer Änderungen des Steuerterms der Kapitalkosten die empirische Evidenz fehle.
Die Ergebnisse der Untersuchung beruhten auf den komplexen Wirkmechanismen steuerlicher Anreizsysteme und zeigten deren Chancen für Investition und Wachstum in Deutschland auf, so Prof. Dr. Andreas Oestreicher, der die Abteilung für deutsche und internationale Besteuerung an der Universität Göttingen leitet. Zugleich würden die Kosten für den Fiskus ermittelt, „die sich umso mehr auszahlen, je mehr Investition und Wachstum angeregt wird“. Diese Einsichten verdeutlichten die Notwendigkeit, die Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die Förderung von Investitionen und die Sicherung des Steueraufkommens gleichermaßen zu betrachten. Im Falle des Wachstumschancengesetz gelte es daher die fiskalischen und investiven Auswirkungen sorgfältig abzuwägen.
Matti Boie-Wegener / Reinald Koch / Andreas Oestreicher / Lena Schön: Die fiskalische Wirkung von Steuersatzsenkungen, Abschreibungsvergünstigungen und Investitionsprämien in Krisenzeiten – Eine quantitative Analyse in Bezug auf deutsche Kapitalgesellschaften. ZEW Discussion Papers Nr. 24-008 – 02/2024. https://www.zew.de/publikationen/zew-discussion-papers
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