Verantwortung in der Krise

Prof. Dr. Gabriele Gien, Präsidentin

Liebe Studentinnen und Studenten, liebe Kolleginnen und Kollegen!

sechs Mal kommt im Leitbild der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt der Begriff Verantwortung vor. Eine der wichtigsten Aussagen ist für mich in diesem kurzen, aber ausdrucksstarken Text, dass wir als universitäre Gemeinschaft aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Studierenden und Alumni „Verantwortung in und für die Gesellschaft übernehmen“. Doch wie können und wie sollen wir in der aktuellen, schwierigen Situation dieser Verantwortung gerecht werden? 

An diesem Montag beginnt die Vorlesungszeit an der KU. Und zugleich wird an diesem Montag das gesellschaftliche Leben in Deutschland aufgrund der Entwicklung der Corona-Pandemie – wie schon zu Beginn des vergangenen Sommersemesters – deutlich eingeschränkt. Damit die Zahl der Neuinfektionen nicht weiter steigt und verhindert wird, dass unser Gesundheitssystem an seine Grenzen stößt, hält uns die Politik an, die Kontakte zu unseren Mitmenschen einzuschränken. Der Appell ist an jeden Einzelnen gerichtet. Weil aber für uns Menschen soziale Beziehungen so wichtig sind und wir uns schwer tun, auf Begegnungen zu verzichten, ergreift die Regierung Maßnahmen, die uns zwingen und helfen sollen, vorübergehend Abstand zu halten. Gasthäuser, Freizeit- und Kultureinrichtungen werden geschlossen, es gibt eine Beschränkung, wie viele Personen sich in der Öffentlichkeit und privat treffen dürfen, und abends sollen wir zuhause bleiben.

Die Politik ringt bei solchen Eingriffen in das öffentliche Leben um das richtige Maß. Es ist eine schwierige Entscheidung, wie sehr die Freiheitsrechte der Menschen und das unternehmerische Handeln beschnitten werden, welche Maßnahmen sinnvoll und welche verhältnismäßig sind. Denn die Corona-Regelungen
haben für viele Menschen schwerwiegende Folgen – nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Und die Belastungen durch die Pandemie sind in unserer Gesellschaft sehr ungleich verteilt, für manche sind sie gar existenzbedrohend.

Wie verantwortungsvoll ist es in dieser Situation, wenn Studierende und Lehrende auf dem Campus zusammenkommen, in Seminaren und Übungen gemeinsam in einem Raum sitzen und sich danach unweigerlich auf Fluren und Gängen begegnen? Würde eine Universität nicht dadurch ihrer Verantwortung in und für die Gesellschaft nachkommen, indem auch sie für einige Wochen schließt und Studium und Lehre komplett in virtuelle Räume verlegt?

Diese Frage beschäftigt sowohl die Hochschulleitung der KU als auch die Politik. Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen sollen trotz des teilweisen Lockdowns ihren Betrieb so weit wie möglich aufrecht erhalten, so hat es die Politik in der vergangenen Woche entschieden. Die Universitäten wurden bei den weitergehenden Einschränkungen – zumindest vorläufig – ausdrücklich ausgenommen. Dies dürfen wir in dieser Krisensituation als ein Privileg dankbar annehmen. Die Zukunft junger Menschen und ihre Ausbildung genießen einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert.

Als Hochschulleitung analysieren wir laufend die Lage. Wir tauschen uns mit den anderen Universitätsleitungen und dem bayerischen Wissenschaftsministerium aus und beraten intern das weitere Vorgehen. Und wir haben vergangene Woche entschieden: Wir bleiben vorerst dabei, dass wir das Wintersemester in hybrider Form gestalten. Zumindest in reduziertem Umfang soll es Lehrveranstaltungen in Präsenzform geben. Unsere Erstsemester sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, die Lehrenden und die Universität kennenzulernen. Praxisseminare, die bestimmte Räume, Geräte oder das Zusammenarbeiten an einem Ort verlangen, möchten wir weiter ermöglichen. Studierende sollen universitäre Gemeinschaft erleben können – viele haben uns im Sommer zurückgemeldet, wie sehr sie das während des Lockdowns im Frühjahr vermisst und unter der Situation gelitten haben.

All dies steht unter einem Vorbehalt: dass die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie uns und die Politik nicht doch noch zu weitergehenden Einschränkungen zwingt. Dabei kommt es auch auf unser Verhalten an: Unsere Verantwortung als universitäre Gemeinschaft verlangt es, dass wir die uns geschenkten Möglichkeiten mit großer Vor- und Rücksicht nutzen. Unser Hygienekonzept soll Ansteckungen so weit wie möglich verhindern – aber es funktioniert nur, wenn sich alle konsequent daran halten. Wir können in den nächsten Wochen unseren Mitmenschen dadurch am nächsten sein, indem wir physisch auf Abstand gehen. Und wenn wir eine Maske über Mund und Nase tragen, blicken wir uns vielleicht umso mehr in die Augen. Meine große Bitte: Beherzigen Sie die Hygieneregeln!

Als Präsidentin der KU weiß ich um die enorme Belastung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung, Campus-Management und Bibliothek, die unter schwierigen Umständen seit Monaten den universitären Betrieb gestalten und bestmöglich aufrecht erhalten. Und ich weiß um die Herausforderungen der Lehrenden, die ihre Konzepte für Seminare und Vorlesungen immer wieder anpassen und bei der Planung der Lehre große Flexibilität aufbringen müssen. Dies ist Ihr Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen in der Corona-Pandemie – und dafür danke ich Ihnen im Namen der Hochschulleitung sehr!

Den Studentinnen und Studenten möchte ich sagen: Ich weiß sehr wohl, dass das studentische Leben jenseits des Lernens und Arbeitens ein wichtiger Bestandteil dieser Phase Ihres Lebens ist, dass Freunde treffen und feiern oder das Engagement in Gruppen und Arbeitsgemeinschaften das Studium erst zu dem machen, was es ist: eine prägende Zeit des Lebens. Darauf müssen Sie in den kommenden Wochen teilweise verzichten. Die Begegnung mit anderen Menschen, die Möglichkeit zu reisen und die Freizeit nach Belieben zu gestalten sind normalerweise Selbstverständlichkeiten, die wir kaum hinterfragen. In der Krise lernen wir, solche Privilegien neu zu schätzen. Der Verzicht hilft uns vielleicht auch, andere Dinge wertzuschätzen: einen Herbstspaziergang in der Natur, ruhige Momente der Entspannung und Besinnung, Bücher lesen (unsere Bibliothek ist weiterhin geöffnet!). Vielleicht nehmen wir diese Erfahrungen mit für „die Zeit danach“.

Liebe Studierende, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche uns, dass wir die nächsten Wochen gemeinsam gut bewältigen. Sollten Sie Sorgen und Fragen haben, dann werden wir als Hochschulleitung versuchen, Sie so gut es geht zu unterstützen. Sie dürfen mich daher jederzeit kontaktieren.

Ihnen allen ein gutes und ertragreiches Wintersemester 2020/21. Und bleiben Sie bitte gesund!

Eichstätt, 2. November 2020

Ihre Gabriele Gien
Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Gottesdienst zum Semesterstart

Video zum Semesteranfangsgottesdienst

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