Frauen- und Gleichstellungsbeauftrage der KU

Warum Gender Studies?

Welche Rolle spielen die Gender Studies für gleichstellungspolitische Arbeit?

Gender Studies liefern grundlegende Erkenntnisse über Prozesse, die Männer und Frauen zu unterscheidbaren und ungleichen Mitgliedern der Gesellschaft machen. Die Schwerpunkte der Geschlechterforschung haben sich dabei in den letzten 50 Jahren mehrfach verändert: Nach einer anfänglichen Fokussierung auf Frauenforschung, die weibliche Lebenssituationen in den Blick nahm und gleiche Rechte für Männer und Frauen forderte, wurden im sog. Differenzparadigma stärker die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in den Blick genommen, nicht zuletzt mit dem Ziel einer Aufwertung weiblicher Eigenschaften statt der bloßen Anpassung von Frauen an das Männliche. Beiden Ansätzen ist das Ziel gemein, die Diskriminierung von Frauen abzuschaffen, ohne dass dabei die Kategorien von Weiblichkeit und Männlichkeit hinterfragt werden. In der neueren Geschlechterforschung ist der Fokus auf die Geschlechterdifferenz dagegen in den Hintergrund getreten, statt dessen werden stärker die sozial erzeugten Kategorisierungen betrachtet, bis hin zur sog. Dekonstruktion von Geschlecht in den Arbeiten von Judith Butler.

Die gleichstellungspolitische Arbeit kann von den bisherigen Forschungsergebnissen in vielerlei Hinsicht profitieren. Gerade die Anfänge der Frauenforschung und des Feminismus führen uns vor Augen, dass bisherige Erfolge in der Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht selbstverständlich sind. Sie sind das Ergebnis von politischen und wissenschaftlichen Anstrengungen, das sich gegen vielerlei Widerstand durchsetzen konnte. Die Methoden und Ergebnisse des Differenzparadigmas sind auch heute noch bedeutsam, um Ungleichheiten in der Wissenschaftskultur analytisch erfassen zu können und daraus Maßnahmen abzuleiten, um Universitäten als Wissenschaftssysteme geschlechtergerechter zu machen. Jedoch führt uns die aktuelle Debatte in den Gender Studies rund um die Dekonstruktion von Geschlecht vor Augen, dass die gleichstellungspolitische Arbeit auf dieser Diskussionsebene noch nicht angekommen ist. Die zentrale Methode der gleichstellungspolitischen Praxis, das Gender Mainstreaming, bezieht sich zwar auf die Betrachtung aller Ebenen der Organisation Universität, behält die Kategorien von Frauen und Männern dabei jedoch bei und hinterfragt sie nicht. Implizit ist jedoch auch im Gender Mainstreaming der Gedanke enthalten, mithilfe von Genderwissen hierarchisierende Prozesse aufzudecken, durch die Geschlechtsunterschiede erst geschaffen werden. Insofern bieten die Gender Studies in ihren vielen Strömungen den gleichstellungspolitisch Handelnden eine wichtige Reflektionsmöglichkeit für das Verständnis von Geschlecht, Geschlechtsunterschieden und Geschlechtergerechtigkeit. 

Welche Rolle spielen die Gender Studies in Studiengängen der KU?

An unserer Universität gibt es, wie in vielen Universitäten, keine eigene Professur mit der Denomination „Gender Studies“. Jedoch gibt es geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer, die sich in Forschung und Lehre mit Inhalten beschäftigen, die eine Relevanz für Gender Studies haben. In der Lehre wurde der Bedeutung von Genderwissen mittlerweile vor allem für den Personenkreis der pädagogisch Tätigen Rechnung getragen: Es gibt ein Modul „Genderforschung“, das von allen Studierenden als Wahlmodul belegt werden kann und insbesondere von Studierenden der Pädagogik, des Lehramts und der Sozialen Arbeit stark nachgefragt wird.

Welche Rolle spielen Gender Studies für eine kirchliche Institution wie die KU?

Wer sich an einer Katholischen Universität mit Gleichstellung von Frauen und Männern beschäftigt, wird an der Frage, wie es um die Gleichstellung von Frauen in der römisch-katholischen Kirche steht, nicht vorbeikommen. Es ist nicht zu leugnen: Frauen gehören nicht in gleicher Weise zum öffentlichen Erscheinungsbild der Kirche wie Männer. Zwar ist der Frauenanteil in den Pfarreien vor Ort hoch; doch wenn es um Entscheidung und Verantwortung und damit verbundene Leitungsämter geht, sind Frauen massiv unterrepräsentiert. Viele dieser Ämter sind an die sakramentale Weihe gebunden – und genau davon sind Frauen in der katholischen Kirche ausgeschlossen.

Dennoch ist dies noch nicht das Ende jeglicher Gleichstellungsbestrebungen. Denn es gibt hervorragende Grundlagen für die Gleichstellung von Frauen und Männern. So formulierte das II. Vatikanische Konzil (1962–1965) auf der Basis der biblischen Schöpfungsaussage, dass Frauen und Männer nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind (Gen 1,27): »Jede Form einer Diskriminierung in den gesellschaftlichen und kulturellen Grundrechten der Person, sei es wegen des Geschlechts oder der Rasse, der Farbe, der gesellschaftlichen Stellung, der Sprache oder der Religion, muss überwunden und beseitigt werden, da sie dem Plan Gottes widerspricht.« (GS 29) Daher sollten Frauen auch an der Sendung der Kirche stärker beteiligt werden. Entsprechend sieht auch das kirchliche Gesetzbuch (CIC) von 1983 Frauen als in jeder Hinsicht ebenbürtig mit dem Mann an, so dass damit theoretisch die Gleichberechtigung von Frauen weitgehend garantiert ist. Und in der Tat haben Frauen mittlerweile bemerkenswerte Positionen in der Kirche inne: Es gibt Gemeinde- und Pastoralreferentinnen, Seelsorgeamtsleiterinnen, Personalverantwortliche, Theologieprofessorinnen, eine Leiterin eines katholischen Büros usw. Dennoch: Nach wie vor sind Frauen in kirchlichen Leitungs- und Führungspositionen unterrepräsentiert. Bei der Besetzung höherer Ämter, z. B. des Bischofsamtes, haben sie nicht einmal Mitwirkungsrechte.

Wie kann dieser Zustand verändert werden? Die Frage der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern ist dabei sicher eine wichtige, aber nicht die einzige Baustelle. Denn auch dort, wo Leitungsämter nicht unbedingt an die Weihe gebunden wären, sind meist nur wenige Frauen zu finden. So müssen auch in der Kirche Maßnahmen von Frauenförderung und Gender-Mainstreaming greifen, wie dies in einigen Diözesen bereits seit längerem der Fall ist. Denn auch in der Kirche gilt, was sich in anderen Bereichen von Gesellschaft und Wirtschaft längst gezeigt hat: Gemischtgeschlechtliche Teams sind innovativer und zukunftsfähiger, Heterogenität führt zu kreativeren Entwicklungsprozessen als Homogenität. Dabei kann die Kirche bei der Frage der Beteiligung von Frauen an der Leitungsverantwortung auf vielfältige biblische und nachbiblische Traditionen zurückgreifen. Forschungen dazu liegen bereits in großer Zahl vor und werden auch an der KU weitergeführt.

Kathrin Schlemmer und Sabine Bieberstein