Meine Kindheit – Deine Kindheit? Intergenerationale Weitergabe von biologischen Veränderungen durch Missbrauchserfahrungen in der Kindheit von Frauen an ihre Kinder

Referentin: Melissa Hitzler, Universität Ulm

Die Folgen von aversiven Kindheitserlebnissen sind ausgiebig beschrieben. Weit weniger klar ist, ob es zu einer direkten biologischen Weitergabe dieser Folgen an die nächste Generation, die Kinder der Betroffenen, kommt. Missbrauchsassoziierte Veränderungen auf biologischer Ebene könnten bereits im Mutterleib die Entwicklung der Kinder über ein verändertes physiologisches Imprinting beeinflussen. Im Vortrag werden Daten aus einer intergenerationalen längsschnittlichen Studie vorgestellt, in der Mütter und ihre Neugeborenen über das erste Jahr nach der Geburt begleitet und untersucht wurden und klären dabei die Frage: Meine Kindheit – Deine Kindheit?

AUSFÜHRLICHER:
Die negativen Folgen von Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung (MMV) für die psychische und physische Gesundheit sind ausgiebige beschrieben. Weit weniger klar ist, ob es zu einer direkten biologischen Weitergabe dieser Folgen an die nächste Generation kommt. Als interagierende biomolekulare Systeme sind u.a. die zelluläre Energieversorgung, das Endocannabinoid- und Glukokortikoidsystem maßgeblich an der Regulation des Immunsystems beteiligt. Veränderungen in diesem Netzwerk könnten bereits im Mutterleib die Entwicklung der Kinder über ein verändertes physiologisches Imprinting beeinflussen.
Im Rahmen des Forschungskolloquiums werden Daten aus der TRANSGEN-Studie vorgestellt. Insgesamt 533 Mütter mit und ohne MMV und ihre Neugeborenen wurden über das erste Jahr nach der Geburt hinweg begleitet. In den entnommenen Blut- und Haarproben untersuchten wir die mitochondriale Atmung, das Endocannabinoid- und Glukokortikoidsystem. DNA-Schädigung sowie Inflammatorische Parameter.
Unsere Befunde stützen die Annahme einer erhöhten allostatischen Last in der Perinatalperiode bei Frauen mit MMV – sie zeigen in Abhängigkeit ihrer MMV-Historie Veränderungen auf biologischer Ebene. Diese höhere biologische Belastung kann zu einem höheren Gesundheitsrisiko beitragen. Kinder von Müttern mit MMV scheinen jedoch keine langfristigen biologischen Veränderungen aufzuweisen. Zumindest nicht in den von uns untersuchten biologischen Systemen.