Anthropozentrische Naturethiken, die den Menschen als einzigen Referenzpunkt normativer Begründungen bestimmen und alle Werte von Natur als relativ zu menschlichen Sinnsystemen und Interessen begreifen, werden zunehmend kritisiert. Moderate Kritikformen fordern, ergänzend physiozentrische Werte von Natur anzuerkennen. Radikale Kritikformen fordern, die Behauptung einer Sonderstellung des Menschen zu verwerfen und die begriffliche Unterscheidung zwischen Natur und Kultur – die auch angesichts der menschlichen Veränderungen der Erde im Anthropozän hinfällig sei – zu überwinden. Nur so ließen sich die gegenwärtigen Umweltproblem lösen. In meinem Vortrag analysiere ich, was die Unterscheidung von „Natur“ (oder auch „Wildnis“) und „Kultur“ – je nach Interpretation dieser Begriffspaare – bedeutet. Auf dieser Basis diskutiere ich, inwiefern diese Unterscheidung als hinfällig angesehen werden kann und was andererseits dafür spricht, an ihr festzuhalten. Meine Überlegungen münden in den Vorschlag, die Lösung der Umweltkrisen nicht in einem andersartigen Mensch-Natur-Verhältnis, sondern in einem andersartigen Mensch-Mensch-Verhältnis zu fundieren.
PD Dr. Thomas Kirchhoff, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft Heidelberg