Anafora – das koptische Taizé

[Translate to English:] Anafora
© Mykola Vytivskyi

von Annabell Kühnel

#Ägypten #Kopten #Anafora

Hinter mächtigen Mauern, in einer öden Landschaft liegt geschützt vor der Außenwelt ein Kloster, das seine Besucher beim ersten Anblick in Staunen versetzt: Palmen, blühende Sträucher und andere Pflanzen säumen den sandigen Weg ebenso wie vereinzelt Teiche. Verschiedene Wohngebäude, Arbeitsstätten und Kirchen vermischen sich zu einem Mosaik, das dem Betrachter nur eine erste Ahnung von den Dimensionen der Anlage geben kann. Die Zimmer sind einfach, mit allem Nötigen ausgestattet. Die über den Matratzen aufgespannten Moskitonetze erinnern an ein Himmelbett. Junge und auch ältere Menschen, Freiwillige aus unterschiedlichen Ländern, auch Schwestern und Geistliche verschiedener Konfessionen trifft man hier an. Sie alle kommen zusammen zu den verschiedenen Gebeten in den geräumigen und einfachen Kirchen, ausgelegt mit bunten Teppichen und jede in ihrem eigenen Stil: Eine der Kirchen besticht durch ihre runden Formen und ihre Schlichtheit. Bänke und Ikonostase gibt es nicht. Eine andere Kirche ist im Eingangsbereich und im Inneren ganz mit Malereien verziert, die sich erkennbar an koptisches Bildprogramm anlehnen, aber doch einen eigenen Stil vorweisen: Die Vielfalt der Schöpfung, die ersten Menschen, die Lebensgeschichte der Muttergottes, der Stammbaum Jesu … Altes und Neues Testament werden als eine Heilsgeschichte miteinander verwoben. Dabei ist die Decke des Kirchengebäudes mit kreisförmigen Löchern durchstoßen, was den ganzen Kirchraum mit Licht durchflutet. Feiert die Gemeinschaft hier ihre koptisch-orthodoxe Liturgie steigt der Weihrauch im lichterstrahlten Raum so auf, dass eine ganz eigene, man könnte sagen ‚mystische‘, Atmosphäre entsteht. Die Gebete und Feiern unterscheiden sich im Einzelnen von der bekannten koptisch-orthodoxen Liturgie. Mit dem Wechsel von Gebet, Gesang und Lesungen, vorgetragen in verschiedenen Sprachen, erinnert das Abendgebet tatsächlich an die Feiern in Taizé.