Ziel der Reihe ist die historisch-kritische Betrachtung medialer Lebensformen – der Gegenwart ebenso wie in der Vergangenheit. Einerseits wird der aktuelle Umgang mit Bildmedien anhand signifikanter, auch problematischer Beispiele untersucht. Dabei geht es um Bildpraktiken im World Wide Web und in sozialen Medien, um Fake und Fakt im Bild sowie um neue Formen der Selbstpräsentation und der Sozialisation – von Selfies zu TikTok-Filmen, von weltweiten Dialogforen zu Echokammern und Filterblasen. Der Blick auf zeitgeschichtliche Problemlagen macht auch deutlich, dass Medien mehr als bloße Instrumente oder Tools sind. Vielmehr schließen sie sich zu Systemen zusammen und dienen nicht nur der Kommunikation, sondern prägen ebenso geteilte Lebensformen und Identitäten wie den je persönlichen Habitus der User.
Von der heutigen Medienpraxis aus wird sodann in die Kunstgeschichte zurückgeblickt, und zwar bis zu spätantiken Bildsystemen, in denen die Produktion und Rezeption von Ikonen einem strengen Ritual folgte. Doch auch spätere visuelle Medien sind nicht nur durch die vermeintlichen Intentionen der jeweiligen Künstlerpersönlichkeiten geprägt, sondern durch implizite, und daher weniger sichtbare Regelwerke. Um diese ins Zentrum des Interesses zu rücken, werden bislang oft als selbstverständlich akzeptierte Konzepte, Kategorien und Zuweisungen des institutionalisierten Fachs kritisch hinterfragt: darunter das „Werk“ (in Titeln wie „Leben und Werk“) bzw. das Oeuvre eines Künstlers, der Unterschied von Kunst und Nichtkunst – wie etwa religiöser Gebrauchskunst sowie Popkultur, Warenästhetik oder Alltags- und Webdesign – oder der Stil, sofern man ihn sich so vorstellt, dass er ganze Epochen prägt und sich eigengesetzlich entwickelt („im Gänsemarsch der Stile“).
Schließlich wird die Frage aufgeworfen, welchen Beitrag die Untersuchung historischer Mediensysteme zur Durchsetzung einer kritischen, lebenswerten Medienpraxis in der Gegenwart leisten kann.
Programm:
Donnerstag, 10. Juni 2021, 18:00 Uhr s.t., Zoom
Prof. Dr. Barbara Wittmann, Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik, Universität der Künste Berlin
Vom Œuvrekatalog zur Homepage: Zur medialen Hervorbringung von Autor und Werk
Trotz der tiefgreifenden Kritik an den Begriffen des Autors und des Werks im Poststrukturalismus und in der Gegenwartskunst hat die Präsentation und Sorge um das Gesamtwerk in den letzten Jahrzehnten keineswegs an Virulenz verloren. Die verschiedenen Medien der Werkkonstitution – die Künstlermonographie, der Œuvrekatalog, die Einzelausstellung – bestimmen weiterhin wesentlich die Wahrnehmung und Vorstellung von Werk und Autorschaft. Die Präsentation des Œuvres auf der Homepage eines Künstlers/einer Künstlerin oder jener der Galerie gehört aktuell zu den besonders verbreiteten Formen der Selbstproduktion zeitgenössischer Künstlerschaft. Der Vortrag wird ausgehend von diesem Phänomen in die Geschichte des Oeuvrekatalogs blicken und die medialen Implikationen diskutieren, die die Aufwertung des Gesamtwerks zum privilegierten Kontext der einzelnen Werke in der Moderne begleiteten.
Donnerstag, 24. Juni 2021, 18:00 Uhr s.t., Zoom
Prof. Dr. Wolfgang Ullrich, Leipzig
Wenn sich Kunst und Nicht-Kunst nicht mehr unterscheiden. Das Verschwinden von Grenzen in den Sozialen Medien
Die Infrastrukturen und die Logiken von Plattformen wie Instagram und TikTok sind so prägend, dass tradierte Grenzen z.B. zwischen Kunst, Mode, Design und politischem Engagement keine Rolle mehr spielen. Vieles, was auf diesen Plattformen gepostet wird, ist vielmehr nicht mehr eindeutig zuzuordnen. Doch was tritt an die Stelle der alten Einteilungen? Und was bedeutet es vor allem für die Kunst, dass sie sich von anderen Bereichen immer häufiger nicht mehr unterscheidet?
Donnerstag, 8. Juli 2021, 18:00 Uhr s.t., Zoom
Prof. Dr. Ulrich Pfisterer, Zentralinstitut für Kunstgeschichte/LMU München
'Entwicklungsgeschichte der modernen Kunstgeschichte in drei Kapiteln'
Kunstgeschichte ordnet ihr Material in historische Entwicklungs- und Begründungszusammenhänge ein. Grundlegende Kriterien sind dabei Stil- und Geschichtsepochen, kulturgeographische Zusammenhänge, künstlerischen Aufgaben, individuelle OEuvres. Trotz aller Kritik scheinen diese Konzepte und Kontexte weiterhin unverzichtbar. Der Vortrag untersucht die Genese und Wirkmacht einiger dieser zentralen Zuweisungen und Begründungsmodelle der Kunstgeschichte. Und er stellt eine Reihe von alternativen Entwürfen vor - von denen das aktuelle Versprechen der Digitalen Kunstgeschichte erstmals Aussicht auf breiten Erfolg zu haben scheint
Hinweis zum Zugang:
Bei Interesse bitten wir, sich in der Geschäftsstelle des Lehrstuhls für Kunstgeschichte (E-Mail bitte an bettina.wolf(at)ku.de) zu melden – Ihnen werden anschließend die nötigen Zugangsdaten für die Zoom-Konferenz zugesandt.
Weitere Vorträge:
Prof. Dr. Beate Fricke, Universität Bern, Thari Jungen, HCU Hamburg, Mira Anneli Naß, Uni Bremen und Prof. Dr. Christoph Wagner, Universität Regensburg, haben für das WiSe 2021/22 weitere Vorträge zugesagt.
Weitere Informationen finden Sie auf folgender Webseite: https://www.ku.de/slf/kunstgeschichte/aktuelles-und-social-media.