Ein Leben für die Welt der Bilder – Nachruf auf Prof. Dr. Michael F. Zimmermann (23.12.1958–9.4.2025)
Michael F. Zimmermanns gesamtes Leben drehte sich um Bilder. Er wurde am 23.12.1958 in Münster geboren. 1977 schloss er das humanistische Burggymnasium in Essen mit der allgemeinen Hochschulreife ab und begann das Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Köln. Gerade die Verbindung von Kunst und Philosophie sollte für seinen wissenschaftlichen Weg prägend sein. Aber auch darüber hinaus bezog er in sein Denken verschiedenste Fachbereiche, die sich mit dem Bild beschäftigen, mit ein. Dazu gehörten neben anderen Literatur, Politik, Soziologie und selbst die Medizin. Sein Interesse galt dem französischen Impressionismus, aber auch dessen Ausformungen in den europäischen Nachbarländern, selbstverständlich Manet, dem Realismus und Naturalismus, Segantini, Apollinaire, Kubismus und Futurismus, aber auch Malerei und Photographie im Wechselspiel. Immer wieder wurde auch die Genese des eigenen Fachs kritisch durchleuchtet. Vom Imaginären, also dem inneren Bild, bis zum traditionellen Gemälde findet man in seinen Schriften Überlegungen zu all dem, was ein Bild sein kann. Es ist kaum möglich, einen Bereich der Bildwissenschaften zu benennen, zu dem er sich nicht allumfassend zu äußern wusste.
Michael F. Zimmermann absolvierte sein Studium an der Universität zu Köln, der Universität La Sapienza in Rom und der Sorbonne (Paris IV) in Paris. Im Jahr 1985 wurde er in Köln mit seiner Arbeit Seurat. Sein Werk und die kunsttheoretische Debatte seiner Zeit promoviert. Aufgrund ihres methodischen und geschichtsreflexiven Scharfsinns wurde die Schrift in zahlreiche Sprachen übersetzt. Von 1985 bis 1990 war Michael F. Zimmermann an der Freien Universität Berlin tätig, danach am Kunsthistorischen Institut in Florenz, von wo aus er nach München ans Zentralinstitut für Kunstgeschichte als Zweiter Direktor wechselte. Im Jahr 2000 wurde er schließlich an der Freien Universität Berlin zum Thema Industrialisierung der Phantasie. Der Aufbau des modernen Italien und das Mediensystem der Künste, 1875–1900 habilitiert. Die Studie ist ein Beispiel für seinen produktiven Umgang mit gesellschaftlich allgegenwärtigen Bildern, dem Gebrauch von Pathosformeln sowie zentralen politischen Fragen zur Medien- und Sozialgeschichte. Wir glauben, aus seiner Habilitationszeit stammt auch sein wiederkehrender, aufmunternd-motivierender Gruß „Lotta continua“.
Im Anschluss an eine ordentliche Professur für Kunstgeschichte der Neuzeit und der Moderne an der Université de Lausanne (2002–2004) folgte Michael F. Zimmermann 2004 dem Ruf an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt. Hier entwickelte er das Fach Kunstgeschichte mit einem erstklassigen Lehrprogramm, das zudem von seinen internationalen Kontakten profitierte. So war er Gründer des interuniversitären Masterstudiengangs Aisthesis. Historische Kunst- und Literaturdiskurse im Elitenetzwerk Bayern (2006–2016), Gründungsmitglied des KU-Forschungskollegs Dialogkulturen und Mitglied des DFG-Graduiertenkollegs Practicing Place – Soziokulturelle Praktiken und epistemische Konfigurationen an der KU. Im Jahr 2008 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt, 2012 zum ordentlichen Mitglied der Academia Europaea. Daneben führten ihn zahlreiche Gastprofessuren unter anderem nach Pisa an die Scuola Normale Superiore, an die Universität Udine, ans Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin, an die Université de Paris X – Nanterre La Défense, an die École Normale Supérieure in Paris und als Robert Sterling Clark Visiting Professor ans Williams College in Williamstown MA.
Michael F. Zimmermanns Elan war ansteckend. Wenn er mit begeisterter Stimme und leuchtenden Augen sprach, wurde jedes Thema hochspannend. Egal, ob es um Kunst des 19. Jahrhunderts, spätantike Mosaiken und ihr Wiederaufleben im Rom der Gegenreformation, französische Denker oder Albertis Überlegungen zur Malerei ging. Aufgelockert wurden seine Diskurse von eingestreuten Bonmots, gerne auch süffisanten biographischen Details aus dem Reich der Kunstgeschichte oder kurzen Witzen, oftmals in französischer oder italienischer Sprache. Manchmal rezitierte er auch ein Gedicht oder stimmte eine italienische Arie aus dem Gedächtnis an. Es war möglich und eine wahre Freude, sich mit ihm über Stunden hinweg vor einem einzigen Gemälde von Paul Cézanne auszutauschen. Oft gingen seine Gedanken extemporierend von einem einzigen Gemälde aus, um schließlich das Bild einer ganzen Epoche zu entfalten. Man konnte durch ihn französische Phänomenologen erleben oder an philosophischen Interpretationen eines Giorgio Agamben wachsen, beides auch in der jeweiligen Landessprache. Die stetige Neugier auf das Neue war Michael F. Zimmermann tief eingeschrieben, bei ihm war es nicht möglich, seinen Horizont nicht zu erweitern. Gleichzeitig war seine Präsenz von einer einzigartig direkten Herzlichkeit und Nahbarkeit geprägt, die im Seminarraum ebenso erfahrbar war wie auf Exkursion in Paris oder in Rom bei dem Besuch des Stammlokals Pier Paolo Pasolinis. Stets wurde die Bildwelt, unter Einbindung anspruchsvollster Texte, auf höchstem Niveau neu durchdacht und neu interpretiert. Ein Tag, ein Gespräch ohne Bezug auf Kunstgeschichte und die Welt der Bilder schien für ihn ein verlorener Tag.
Michael F. Zimmermann starb plötzlich und unerwartet am 9.4.2025. Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt verliert mit ihm einen viel geschätzten Kollegen, brillanten Forscher und engagierten Dozenten, der sich immer mit Herzblut für das Fach Kunstgeschichte eingesetzt hat. Er wird fehlen. Als Mentor, als Koryphäe der deutschen und internationalen Kunstgeschichte, als Freund. Die Erinnerung an seine Großzügigkeit, Loyalität, Herzlichkeit, seinen Witz und Enthusiasmus sind unvergessen und werden uns, seiner „Eichstätter Kunstgeschichte“ Orientierung und Vorbild bleiben.
Terminverschiebung
Die Gedenkfeier für Herrn Professor Zimmermann wird um eine Woche nach hinten verschoben. Die Andacht findet nun am
Mittwoch, 7. Mai um 11 Uhr in der Schutzengelkirche statt.
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