Rund 100 Bewerbungen aus dem In- und Ausland waren für die Doktoranden- und Postdoc-Stipendien des Graduiertenkollegs eingegangen, die aus Mitteln der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Pädagogischen Stiftung Cassianeum finanziert werden. Ausgewählt wurden schließlich neun junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Philosophie, Psychologie, Geographie, Literaturwissenschaft und Europastudien, die bislang an den Universitäten in Freiburg, Wien, Rom, Münster, Bamberg, Konstanz sowie an der KU tätig waren. Im Rahmen einer dreitägigen Eröffnungskonferenz stellten sie ihre Projekte vor und diskutierten sie mit den eingeladenen internationalen Referenten. Das Spektrum der Themen reicht von der kulturwissenschaftlichen Untersuchung exemplarischer Orte des europäischen Gedächtnisses bis hin zur Auseinandersetzung mit Raumvorstellungen in der asiatischen Tradition.
Ein Grundthema des Graduiertenkollegs ist die bislang mangelnde Systematisierung von Begriffspaaren wie Raum und Ort im wissenschaftlichen Diskurs. Dieses griff auch der Medientheoretiker Prof. Dr. Stephan Günzel (BTK Hochschule für Gestaltung, Berlin) in seinem Eröffnungsvortrag auf. Er schilderte dabei kompakt die verschiedenen, teils gegensätzlichen Denkschulen, welche sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hatten. So fand in der wissenschaftlichen Diskussion der Begriff „Ort“ nicht nur als geographische Definition Anwendung, sondern auch als Denkvoraussetzung und Ausdruck von Strukturen, Bezügen, Prozessen und Erfahrungen. Günzel warnte davor, den Ort allzu nah mit einem Heimatbegriff zusammenzudenken, der zu einer Spaltung zwischen Einheimischen und Fremden führe und schlug vor, den Ort immer im Kontext einer spezifischen Praxis zu sehen. Die Beschäftigung des Graduiertenkollegs mit der Frage, welchen Einfluss Orte und Räume auf unsere Wahrnehmung der Welt haben, trägt so nicht nur zu einer wissenschaftlichen Diskussion über die Systematik von Begrifflichkeiten bei, sondern gibt auch Einblick in die kulturellen Erfahrungen und sozialen Beziehungen der Gegenwart.
Das neue Graduiertenkolleg ist ein weiterer Baustein in der Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses, welche sich die KU „auf die Fahnen geschrieben hat“, wie Prof. Dr. Hans Hopfinger (Vorsitzender des Senatsausschusses für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs) in seinem Grußwort betonte. Hopfinger schilderte die bisherigen Anstrengungen der KU in diesem Bereich durch ein Programm zur Forschungsförderung und bereits drei bestehende Graduiertenkollegs.
Als Dach aller nun vier Graduiertenkollegs fungiert die neu gegründete Graduiertenakademie. Diese bietet nicht nur Stipendiaten, sondern allen Doktoranden der KU ein vielseitiges Angebot für eine strukturierte Promotion, in dem durch Workshops und Seminare Schlüsselkompetenzen für die wissenschaftliche Karriere, aber auch für anspruchsvolle Tätigkeiten in Wirtschaft und Gesellschaft vermittelt werden. In der Graduiertenakademie können sich die Jungwissenschaftler über Fachgrenzen hinweg über ihre Vorhaben austauschen und schon früh eigene Kontakte in die Wissenschaftslandschaft knüpfen. Darüber hinaus erwerben sie gezielt Kompetenzen in der Hochschuldidaktik oder auch Expertise in der Einwerbung von Forschungsgeldern, was ihnen durch ein Abschlusszertifikat bescheinigt wird.
Inspirieren lassen können sich die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei auch von Bildern der Künstler Ernst Arnold Bauer und Stefan Weiergraf gen. Streit. Diese sind auf Initiative des Geschäftsführers der Graduiertenakademie, Daniel Romic, in deren neuen Räumlichkeiten angebracht. So ist von Weiergraf ein Bilderzyklus zu sehen, der große Philosophen von Kant bis Nietzsche porträtiert. Ernst Arnold Bauer hat Werke aus seiner Serie „The Song of Taliesin“ zur Verfügung gestellt, die sich einem walisischen Barden aus dem 6. Jahrhundert widmen.
Weitere Informationen zum neuen Graduiertenkolleg sowie zur Graduiertenakademie finden sich unter
www.ku.de/forschung/graduiertenakademie-der-katholischen-universitaet-eichstaett-ingolstadt.