Debatte zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare: „Die Konflikte sind eine Chance zur Erneuerung“

Nach der Absage der Glaubenskongregation an die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ist eine Debatte im Gange, bei der sich sowohl Laien als auch führende Geistliche zu Wort melden. „Darin liegt auch die Chance für die Erneuerung von Kirche und Glauben. Die Frage ist nur, wie mit den Konflikten umgegangen wird und ob dies in einer integrativen Weise geschieht“, sagt Prof. Dr. Martin Kirschner, Inhaber des Lehrstuhls für Theologie in Transformationsprozessen der Gegenwart an der KU. Auch im Hinblick auf den laufenden Synodalen Weg betont er, dass eine synodale Kirche davon geprägt sei, sich den Konflikten zu stellen und sie auszutragen, um sich damit neu am Evangelium auszurichten.

Die Diskussionen um das Nein zur Segnung homosexueller Paare stehe laut Kirschner im Zusammenhang mit der Gesamtsituation der katholischen Kirche. Diese sei in den letzten Jahren in einem neuen Ausmaß mit Skandalen um Machtmissbrauch, sexualisierter Gewalt und ihre Vertuschung konfrontiert gewesen. Die Folge sei eine grundsätzliche Diskussion zu strukturellen und kulturellen Ursachen, die durch die aktuelle Entscheidung neu befeuert wurde. Aus Sicht Kirschners gehe es nun darum „Lebenswirklichkeiten in den Blick zu nehmen, die innerhalb der Kirche an den Rand gedrängt und unsichtbar gemacht wurden“. Papst Franziskus habe seit Beginn seines Pontifikats immer wieder dazu aufgerufen, „an die Ränder zu gehen“, sich der Lebenswirklichkeit derer zuzuwenden, die bisher ausgeschlossen wurden, weil nur so das Ganze in den Blick komme und weil das Evangelium gerade denen gehöre und geschuldet sei, die am Rand stehen.

„Mit ihrer Antwort hat die Glaubenskongregation die Debatte nicht beendet, sondern gerade losgetreten“, so der Theologe und Leiter des „Zentrums Kirche, Religion, Gesellschaft im Wandel“ an der KU. Autorität entstehe dort, wo man sich den Konflikten und Widersprüchen stelle, mit denen man konfrontiert sei, und mit ihnen umgehe. Wer aber Teile der Wirklichkeit ausblende und die Konflikte zu unterbinden sucht, untergrabe die eigene Autorität. „Die Frage ist, wie Lernprozesse auf beiden Seiten, Dialog und Verständigung möglich sind – und wie diese Prozesse so stattfinden können, dass sie den Menschen gerecht werden, die von diesen Fragen betroffen sind.“ Die Debatte zeige, welche Empörung ein undifferenziertes Nein hervorrufe. Es gehe stattdessen um eine Öffnung der Debatte.

Deshalb sei der Synodale Weg notwendig und unausweichlich. Es brauche viele weitere solche Prozesse in den verschiedenen Ortskirchen – wie etwa die Amazonassynode. Schnelle Lösungen seien nicht absehbar, dafür reichten die Konflikte viel zu tief. „Die katholische Kirche ist zudem eine Weltkirche und muss auch die Ökumene in Ost- und Westkirche im Blick behalten. Das sind ungeheuer komplexe Kommunikationsprozesse, die nötig sind und die möglicherweise mittelfristig ein neues Konzil vorbereiten müssen“, so Kirschner. Es geht darum bereits bestehende Spaltungen zu überwinden und die Kirche aus dem Glauben heraus zu erneuern. „Wenn wir das nicht mehr für möglich halten, hätten wir den Glauben schon aufgegeben.“