„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht umfassende Reformen“

Zukunftsrat
© Staatskanzlei RLP / Schacht

Kritik wird am öffentlich-rechtlichen Rundfunk viel geäußert: zu aufgebläht in den Strukturen, zu viel Unterhaltung oder zu eng mit der Politik verflochten. Der Skandal um Vetternwirtschaft und mangelnde Kontrolle beim rbb hat das noch verstärkt. Im März 2023 haben die Bundesländer einen „Rat für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ (Zukunftsrat) eingesetzt, um Vorschläge zur Reform der Öffentlich-Rechtlichen auszuarbeiten – mit langfristiger Perspektive. Unter den acht Expertinnen und Experten, die nun in Berlin ihre Empfehlungen vorlegten, war auch Annika Sehl, Journalistik-Professorin an der KU.

Frau Sehl, war es für Sie überhaupt ein realistisches Ziel, in einem Zukunftsrat nun endlich das Reformmodell für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu entwickeln, das all diese Kritikpunkte aufgreift? Was waren Ihre Gedanken, als Sie dafür angefragt wurden?

Ich hatte aus der Berichterstattung zuvor schon positiv wahrgenommen, dass dieser Rat eingerichtet werden soll. Denn für mich war klar, dass es umfassende Reformen braucht, um die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als wesentliche demokratische Institution zu sichern und ihn gut für eine digitale Zukunft aufzustellen. Als ich dann dafür angefragt wurde, habe ich mich gefreut, meine Kenntnisse und Erfahrungen einbringen zu dürfen, aber hatte auch Respekt vor dem „dicken Brett“, das vor uns lag.

Annika Sehl
© Christian Klenk Prof. Dr. Annika Sehl

Wie kam es zur Einrichtung dieses Zukunftsrates – und warum wurden Sie gefragt, als eines von acht Mitgliedern darin mitzuwirken?

Die Rundfunkkommission der Länder – der Rundfunk ist in Deutschland ja Ländersache – hat die Einberufung dieses unabhängigen Expertengremiums beschlossen, um eine längerfristige Perspektive für die Öffentlich-Rechtlichen „über das laufende Jahrzehnt hinaus“ zu entwickeln. Die Rundfunkkommission hat dann auch die Mitglieder für den Rat ausgewählt. Wir Acht kamen dabei aus unterschiedlichen Bereichen – von der Rechtswissenschaft über das Medienmanagement, die Publizistik, digitale Angebote, dem Programm bis hin zur Kommunikationswissenschaft. Die unterschiedlichen Hintergründe und Kompetenzen haben sich sehr gut ergänzt.

Neun Monate haben Sie gemeinsam im Zukunftsrat gearbeitet. Können Sie beschreiben, wie die Arbeitsweise ausgesehen hat? Wie oft haben Sie sich getroffen?

Wir haben – meist in der Gruppe, mal mit einigen, mal alleine – wohl etwa hundert Gespräche geführt. Wir haben uns von Dresden bis München, Hamburg bis Frankfurt an wechselnden Orten getroffen. Häufig an den Wochenenden. Denn wir haben ja alle noch unsere Berufe. Das war intensiv und für alle sehr bereichernd.

Wurden die verschiedenen Aspekte unter den Mitgliedern des Zukunftsrats aufgeteilt? Was haben Sie aus der kommunikationswissenschaftlichen Perspektive in den Prozess einbringen können?

Wir haben uns dagegen entschieden, Untergruppen zu bilden und alle Bereiche gemeinsam im Diskurs erarbeitet. Insofern stehen wir alle für alle Teile. Ich konnte dabei aber an zahlreiche Aspekte anknüpfen, mit denen ich mich in meiner Forschung zu öffentlich-rechtlichen Medien beschäftige, denn ein wesentlicher Schwerpunk war da in den vergangenen Jahren die digitale Transformation öffentlich-rechtlicher Anstalten, auch im internationalen Vergleich.

Was sind für Sie die wichtigsten neuen Erkenntnisse aus der Arbeit der letzten Monate? Und was ist für Sie aus der Liste der Reformvorschläge nun das wichtigste Ergebnis?

Am wichtigsten ist für uns, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten digitaler und effizienter aufgestellt werden und ihren Angebotsauftrag besser erfüllen können, um weiterhin der Demokratie zu dienen. Dazu braucht es nicht nur Veränderungen im System, sondern einen Umbau des Systems. Das bedeutet im Einzelnen eine Schärfung des Auftrags; eine Reform der Gremien mit eindeutigen Verantwortlichkeiten und wirksamer Kontrolle; zeitgemäße kollegiale Geschäftsleitungen statt des Intendantenmodells; eine ARD-Anstalt statt der Arbeitsgemeinschaft, um so Mehrfachstrukturen abzubauen; eine Fokussierung der Landesrundfunkanstalten auf ihre Region; eine gemeinsame technische Plattform für ARD, ZDF und das Deutschlandradio; die Weiterentwicklung der Führungskultur und ein Finanzierungsmodell gemäß erbrachter Leistung. Sie sehen, wir haben ein umfangreiches Reformpaket vorgelegt.

Wie wird es nach Abschluss der Arbeit des Zukunftsrates weitergehen? Was passiert nun mit Ihrem Abschlussbericht?

Die Länder müssen sich nun eine Meinung bilden und Entscheidungen treffen.

Für wie realistisch halten Sie es, dass die Reformvorschläge umgesetzt werden?

Alle unsere Vorschläge sind umsetzbar. Aber natürlich wird dafür ein Kraftakt aller Akteure – der Länder und der Anstalten – über mehrere Jahre nötig sein. Es kommt jetzt auf den Willen an, machbar ist es.

(Die Fragen stellte Christian Klenk.)

Der Abschlussbericht des Zukunftsrats kann hier abgerufen werden.

Zukunftsrat
© Staatskanzlei RLP / Schacht Der Zukunftsrat bei der Vorstellung seines Abschlussberichtes in Berlin. In der vorderen Reihe Medienstaatssekretärin Heike Raab, die Vorsitzende des Zukunftsrats, Julia Jäkel, sowie Oliver Schenk, Leiter der sächsischen Staatskanzlei.