„Durch die Kirchen kann Tourismus wieder an Tiefe gewinnen“

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Sommerzeit ist Urlaubszeit – in einigen Bundesländern haben die Ferien bereits begonnen und sind für Gäste und Gastgeber geprägt von Gedanken rund um die Pandemie. Für Prof. Dr. Harald Pechlaner, Inhaber des Lehrstuhls für Tourismus an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU), gehören auch die Kirchen zu wesentlichen Impulsgebern, um die Reisebranche zukunftssicher zu machen: „Wir haben in der letzten Zeit die Tiefe des Reisens etwa durch Pauschalangebote verloren. Es war häufig egal, wohin man reist, vor allem billig musste es sein. Kirche kann auch inhaltlich dazu beitragen, wieder Tiefe in das Reisen zu bringen“, so Pechlaner.

Der Tourismusforscher der KU gehört zu den Referenten einer Tagung der Thomas-Morus-Akademie Bensberg, die sich mit dem Verhältnis von Kirche und nachhaltigem Tourismus in Corona-Zeiten beschäftigt. Mit-Veranstalter ist die Katholische Arbeitsgemeinschaft Freizeit und Tourismus der Deutschen Bischofskonferenz, der Pechlaner angehört. Zudem richtet er in Kürze gemeinsam mit dem touristischen Dachverband von Nordrhein-Westfalen die Fachtagung „Auf dem Weg zu einem Ökosystem der Gastlichkeit“ aus.

Frühere Formen des Reisens könnten laut Pechlaner wieder an Attraktivität gewinnen – etwa das Unterwegssein von Ort zu Ort wie bei einer Pilgerreise. „Wir waren auf Erlebnis aus und nicht auf Erfahrung.“ Dafür braucht es aber Zeit und Raum – dabei könne die Kirche Unterstützung bieten. Im Moment würden die Menschen ihre Freiheit wieder auskosten wollen, die man mit bekannten Reisemustern verbinde, weil man es nicht anders kenne. „Aber ich denke, wir werden mittel- bis langfristig einen Bewusstseinswandel erkennen können: Unter welchen Bedingungen will ich überhaupt verreisen? Und wie nachhaltig gestaltet sich eine Reise? Vor allem die jungen Menschen, die nun auf die Märkte drängen, werden dazu beitragen“, schildert Pechlaner, der unter anderem wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzzentrums Tourismus des Bundes ist.

Unter den touristischen Angeboten gebe es schon seit geraumer Zeit den Trend zur Sinnsuche im Urlaub. Marktseitig habe sich hier jedoch fast mehr getan als auf Seiten der Kirche. Sie habe den Trend zwar mitgenommen, ihn jedoch nicht im Sinne eines vollwertigen touristischen Angebotes weiterentwickelt. Es stelle sich die Frage, wie Kirche künftig den Bereich Tourismuspastoral für sich definieren wolle. In Zeiten knapper werdender Kassen und neuer Nachfrageformen liege es nahe, solche Angebote zu professionalisieren. „Wichtig ist es, all dies aus der Tourismuspastoral her zu verstehen. Kirche und Tourismus sind dabei weniger als Fluchtpunkt zu verstehen, an dem man sich abschottet und vom Rest der Welt verabschiedet, sondern gerade neue Perspektiven eröffnen. Touristische Angebote der Kirche könnten die Menschen noch stärker auf ihrer Lebensreise begleiten.“

Die Akteure des Tourismus könnten zukünftig nicht mehr alleine die Entwicklung des Tourismus bestimmen, sondern müssten die Menschen des Lebensraumes in die Entscheidungen mit einbeziehen. Die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung sei die Grundlage für eine gelingende Erlebnisqualität für die Gäste. Die Zwangspause durch Corona habe in vielen Regionen, die zuvor von einem Zuviel an Tourismus belastet waren, die Ressentiments gegenüber der Branche verstärkt. „Der Tourismus ist aber sehr stark von der positiven Einstellung breiter Bevölkerungskreise abhängig. Das hat auch Einfluss auf die Bereitschaft, einen Beruf in Hotellerie oder Gastronomie zu ergreifen. Man muss diesen Dienstleistungen wieder mehr Wertschätzung geben. Ich glaube, die Pandemie könnte dabei etwas bewirken“, prognostiziert Pechlaner.