Zeit-Geschichte: Historikerin Caroline Rothauge erhält „Nobelpreis der Uhrenindustrie“

Caroline Rothauge
© Vincent Leifer

Die Historikerin PD Dr. Caroline Rothauge wird mit dem „Prix Gaïa“ ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich vom weltgrößten Uhrenmuseum, dem Musée international d’horlogerie im schweizerischen La Chaux-de-Fonds, verliehen – normalerweise für besondere Leistungen in der Uhrmacherei. Caroline Rothauge, die Privatdozentin für das Fach Neuere und Neueste Geschichte an der KU ist, erhält die Auszeichnung für ihre umfassende Forschung über die Geschichte der Zeit und ihrer Messung.

Die Jury würdigt nach Angaben des Museums „die vielen grundlegenden Studien“ von Caroline Rothauge, „die die germanische Historiografie der Zeitmessung neu definieren, indem sie einen kulturellen Ansatz verfolgen, der Archive und materielle Artefakte mit Bravour verbindet“, wie es in einer Veröffentlichung des Museums heißt. In Forschung und Lehre hat Caroline Rothauge einen Schwerpunkt auf die Geschichte der Zeit und der Zeitmessung vor allem im 19. und 20. Jahrhundert gelegt. Damit trage sie maßgeblich zur Erforschung und Verbreitung des Wissens über Zeitmessung und Zeitkulturen bei, so die Jury.

Ihre Habilitationsschrift, die Rothauge an der KU verfasste, trägt den Titel „Zeiten in Deutschland 1879‒1919. Konzepte, Kodizes. Konflikte“. Sie forschte dafür in acht Archiven sowie auf der Grundlage von gedruckten Quellen und materiellen Artefakten. Rothauge erörterte unter anderem, warum sich im Deutschen Kaiserreich die Vorstellung einer „Mitteleuropäischen Zeit“ herausbildete oder weshalb es 1916 erstmals zur Verordnung einer „Sommerzeit“ kam. Auch ging sie der Frage nach, zu welchem Grad sich die Menschen überhaupt an offiziellen Vorgaben abstrakter Zeit orientierten. Die Arbeit von Rothauge zeigt auf, dass die Prozesse der Aushandlungen rund um die Zeit in Deutschland damals äußerst dynamisch und konfliktreich waren. Die Prozesse mündeten nicht in einer standardisierten Form der Zeitordnung, sondern führten – paradoxerweise – zu einer weiteren Pluralisierung von Zeiten.

Die Habilitationsschrift wurde 2022 bereits mit dem Preis der Eichstätter Universitätsgesellschaft für die beste Habilitation ausgezeichnet. Rothauge publizierte ihre Forschungserkenntnisse außerdem in renommierten akademischen Zeitschriften wie der „Historischen Zeitschrift“ und der „German History“ und stellte sie auf nationalen und internationalen Konferenzen vor. Nun erhält sie am 19. September eine weitere Auszeichnung im Musée international d’horlogerie in der französischsprachigen Schweiz. Den undotierten Ehrenpreis „Prix Gaïa“ gibt es seit 1993. Die Auszeichnung gilt in Fachkreisen als „Nobelpreis der Uhrenindustrie“, sie wird in den Kategorien „Artisanat création“ (Kunsthandwerk), „Esprit d’entreprise“ (Unternehmergeist) und „Histoire“ (Geschichte und Recherche) vergeben.

Caroline Rothauge hat Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Compostela studiert. An ihre Promotion im Fach Neuere Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen schlossen sich Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Akademische Rätin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt an. In Eichstätt verfasste sie ihre Habilitationsschrift und profitierte dabei von einem Habilitationsstipendium für Nachwuchswissenschaftlerinnen der KU. Seit 2021 ist Rothauge Privatdozentin für das Fach Neuere und Neueste Geschichte an der KU. Seit April 2023 vertritt sie außerdem die Professur für Deutsche und Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Universität Hamburg.