Das Grundprinzip der Internationalen Phänologischen Gärten besteht darin, dass genetisch identische Bäume und Sträucher über Europa verteilt eingepflanzt werden und man anschließend ihre Entwicklung standardisiert beobachtet. Derzeit gehören 61 solcher phänologischen Gärten von Finnland bis Portugal dem Netzwerk an. Die Vermehrung der Pflanzenklone erfolgt zentral über das Walderlebniszentrum Grafrath des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürstenfeldbruck. „Durch den Ausschluss der genetischen Variabilität haben wir die Möglichkeit, bessere Rückschlüsse auf den Einfluss von Umweltfaktoren und der Reaktion von Ökosystemen darauf zu ziehen“, schildert Professorin Jochner-Oette.
Bereits 1953 entstand in der Weltorganisation für Meteorologie die Idee für ein solches Netzwerk, das 1957 schließlich offiziell gegründet wurde. Nach der Universität Göttingen, der TU München und dem Deutschen Wetterdienst leitete zuletzt Prof. Dr. Frank-M. Chmielewski vom Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt Universität Berlin das IPG-Netzwerk, das nun Professorin Jochner-Oette – unterstützt von ihrer Mitarbeiterin Johanna Jetschni – koordiniert. Neben dem Zusammenführen der gewonnenen Beobachtungsdaten gehört dazu unter anderem auch der Versand von neuen Pflanzen an die Partnereinrichtungen in Europa. Zudem haben Jochner-Oette und ihr Team nun auch in Eichstätt einen phänologischen Garten im Außenbereich der Eichstätter Zentralbibliothek angelegt.
Sie betont: „Das grundlegende Verständnis, wie Ökosysteme auf Umweltveränderungen reagieren, ist auch eine Basis für Managemententscheidungen, zum Beispiel in der Forstwirtschaft.“ Dabei dokumentieren die IPG nicht nur optisch wahrnehmbare Veränderungen der Natur. Die Erkenntnisse können darüber hinaus auch dazu dienen, um die Berechnung von Klimamodellen zu präzisieren. Denn auch die Pflanzenentwicklung selbst hat Auswirkungen auf das Klima: Die Verdunstung durch Blätter verändert Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit. Dichte Baumkronen halten Sonneneinstrahlung von der Erdoberfläche fern und beeinflussen so das Mikroklima am Boden. Hinzu kommen biochemische Stoffkreisläufe zwischen Pflanzen und der Atmosphäre – etwa im Hinblick auf den Kreislauf von Kohlendioxid. Das Timing für den Beginn der Blüte wiederum hat zum Beispiel Einfluss auf Insekten, die sich vom Nektar ernähren. Verlagert sich die Blüte im Zuge des Klimawandels stärker nach vorne als die Aktivitätsperiode der Insekten, so entsteht ein „ecological mismatch“ mit entsprechend negativen Auswirkungen.
Doch nicht nur mittelbare Folgen für den Menschen nimmt die Phänologie in den Blick, sondern auch direkte Auswirkungen auf die Gesundheit durch allergene Pflanzen. Jochner-Oette untersucht derzeit unter anderem in einem separaten Projekt, wie sich die Belastungen für Allergiegeplagte besser vorhersagen lassen. Phänologische Grundlagen sind hierfür unverzichtbar. Wachstum und Reife sind außerdem in der Land- und Forstwirtschaft elementare Faktoren, daher wirken sich auch hier die Änderungen durch den Klimawandel stark aus.
Weitere Informationen zu den Internationalen Phänologischen Gärten finden sich unter https://ipg.ku.de.
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