Die positive Wirkung von Musik auf Straftäter ist bekannt, nicht umsonst gibt es in vielen Gefängnissen musikpädagogische Angebote. Zum ersten Mal aber erhielt nun ein Musikprojekt den ICPA Correctional Excellence Award – die weltweit wichtigste Auszeichnung für herausragende Leistungen im Strafvollzug. Sandra Sinsch-Gouffi bekam den Preis für ihre besondere Form der Musik-Therapie mit psychisch kranken Straftätern im Maßregelvollzug Uchtspringe (Sachsen-Anhalt). Diese Arbeit ist auch Grundlage ihrer Dissertation an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU).
Seit 2021 arbeitet Sinsch-Gouffi an ihrem Projekt und beschreitet damit Neuland: Sie erstellte ein grundlegendes Konzept für die musikalische Arbeit im Maßregelvollzug, das sie im Lauf der letzten Jahre evaluierte und überarbeitete. Ziel sei es, kulturelle Teilhabe und Bildung zu ermöglichen und auf dieser Basis soziales Lernen zu fördern. „Als Aktionsforscherin optimiere ich kontinuierlich meine Vorgehensweise“, erklärt die Musik-Therapeutin. So sei deutlich geworden, dass es nicht ausreiche, wenn die Patienten im Maßregelvollzug ein Instrument erlernen: „Auch die Teilhabe an kulturellen Veranstaltungen muss möglich sein.“ Ein Wunsch, der nicht leicht kombinierbar ist mit den strikten Ausgangsbeschränkungen psychiatrischer Einrichtungen. Sinsch-Gouffi nahm Kontakt zum MDR auf, woraus eine Kooperation mit dem MDR Rundfunkchor entstand. Der Höhepunkt: Im März 2024 musizierte das Ensemble bei einem Konzert nicht nur gemeinsam mit den Untergebrachten, sondern führte auch die Eigenkomposition eines Patienten auf.
Die International Corrections and Prisons Association (ICPA) war nicht nur von diesem Teilprojekt beeindruckt, sondern hob generell die Bedeutung von Sinsch-Gouffis Arbeit mit psychisch kranken Straftätern für deren Genesungs- und Resozialisierungsprozess hervor. Die Jury schreibt in ihrer Begründung: „Neben der Stärkung von persönlichen und sozialen Ressourcen der Untergebrachten wird Wert daraufgelegt, intramural das Grundrecht auf kulturelle Bildung und Teilhabe einzulösen.“ Das Projekt in Sachsen-Anhalt kombiniert Musikpädagogik, Musiktherapie und Musikgeragogik für ältere Untergebrachte mit Community Music. Community Music zielt auf Inklusion, die Teilnehmenden selbst handeln untereinander aus, welche Musik sie wie machen wollen. Die ICPA-Jury lobte insbesondere diesen niedrigschwelligen Zugang.
Innovativ, für andere inspirierend, in deren Praxis übertragbar – und mit nachweislich positiven Ergebnissen: Ihre zentralen Kriterien für die ICPA-Auszeichnung sah die Jury in Sinsch-Gouffis Projekt im Maßregelvollzug Uchtspringe erfüllt. Der ICPA-Award für herausragende Leistungen im Strafvollzug ging damit 2024 nicht nur zum ersten Mal an ein Musikkonzept, sondern auch erstmals nach Deutschland. Verliehen wurde die Auszeichnung Anfang September in Singapur. Die ICPA setzt sich für einen humanen, zukunftsorientierten Strafvollzug ein und hat bei den UN einen Beraterstatus. Die Correctional Excellence Awards für herausragende Leistungen im Strafvollzug werden seit 2006 jährlich vergeben.
Für ihre Dissertation an der KU wertet Sandra Sinsch-Gouffi nun die Ergebnisse ihrer qualitativen Fallstudie aus und leistet auch damit Pionierarbeit: Zur musikalischen Arbeit im Maßregelvollzug gibt es bislang – auch international – keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Betreuer der Arbeit ist Prof. Dr. Daniel Mark Eberhard, Inhaber der Professur für Musikpädagogik und Musikdidaktik und Leiter des europaweit einzigartigen Master-Studiengangs „Inklusive Musikpädagogik/Community Music“.
Ein Beitrag zur ausgezeichneten Arbeit von Sandra Sinsch-Gouffi findet sich in der ARD-Mediathek.
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