Orientierung für psychisch belastete Geflüchtete

Colourbox.de
© Colourbox.de

Geflüchtete Menschen sind auf der Flucht oft extremen psychischen Belastungen ausgesetzt und haben daher ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen. Der Bedarf an professioneller Hilfe ist groß, das Angebot speziell für diese Zielgruppe aber noch gering. Eine vom Bundesforschungsministerium geförderte Webseite bündelt nun entsprechende Forschungsprojekte und bietet Betroffenen die Teilnahme an Studien an. Dazu gehört auch das Projekt „Better Care“ unter Leitung von Prof. Dr. Rita Rosner (Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie an der KU), das sich an Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern und Baden-Württemberg richtet.

Rund 1,8 Millionen Schutzsuchende leben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland. Viele von ihnen waren und sind erheblichem Stress ausgesetzt – hierzu zählen Krieg, Verfolgung und die oft lange Flucht, aber auch die vielen neuen Anforderungen, die im Aufnahmeland auf sie zukommen. Das Risiko, in Folge dieser Erlebnisse psychisch zu erkranken, ist hoch und dementsprechend groß ist der Bedarf an Präventionsmaßnahmen, einer frühzeitigen Diagnostik und der passenden Behandlung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert derzeit sieben deutschlandweite Forschungsverbünde, die orientiert an den Patienten dazu beitragen, passende Angebote zu erarbeiten.

Die Beteiligten haben nun die Internetseite www.mentalhealth4refugees.de erstellt. Ziel ist es, zum einen Informationen für Betroffene zu bieten, die u. a. eine Studienteilnahme in Erwägung ziehen, und zum anderen Akteure aus Versorgung, Gesundheitswesen und Wissenschaft zu erreichen, die sich einen Überblick über laufende Projekte verschaffen möchten. Damit die wichtigen Informationen auch bei der Zielgruppe ankommen, wurde die Seite auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Farsi angelegt.

Die Corona-Pandemie hat es deutlich erschwert, Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer für die einzelnen Forschungsprojekte zu finden. Die Initiatoren der Webseite hoffen daher auf eine schnelle Ausbreitung innerhalb der entsprechenden Foren und haben die Seite so programmiert, dass Inhalte über gängige Social-Media-Plattformen oder einen QR-Code geteilt werden können. Doch auch persönliche Kontakte wie beispielsweise zu arabisch sprechenden Influencern, Hilfsorganisationen oder auch religiösen Ansprechpartnern werden genutzt.

„Mit unserem Verbundprojekt ,Better Care' wollen wir einen Beitrag zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung unbegleiteter junger Geflüchteter in Deutschland leisten", schildert Professorin Rosner. Innerhalb des Projekts werde ein gestufter Versorgungsansatz entwickelt, implementiert und mit der Regelversorgung in Deutschland hinsichtlich seiner Wirksamkeit verglichen. Zentrale Ansprechpartner hierfür sind Jugendhilfeeinrichtungen, die weiterhin mit ihren Wohngruppen an dem Projekt teilhaben können.

Abhängig von der Schwere der Symptome erhalten die Patientinnen und Patienten über „Better Care“ eine Behandlung, die zu ihnen am besten passt. In einem ersten Schritt erfolgt daher ein Screening der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mit dem eine Bestandsaufnahme ihrer psychischen Probleme und ihrer Lebensqualität erfolgt. Dabei wird über eine Reihe von Fragebögen festgestellt, zu welchem Grad posttraumatische Stresssymptome, Depressivität, Angstsymptome und Substanzgebrauch vorliegen, sowie die Lebensqualität und allgemeine Gesundheit erfasst. Im Anschluss erhalten die Teilnehmer und Jugendhilfeeinrichtungen eine Rückmeldung, ob Behandlungsbedarf besteht.

Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer, bei denen milde bis moderate Symptome diagnostiziert werden, ist im gestuften Versorgungsprogramm als nächster Schritt ein Gruppenpräventionsprogramm unter dem Titel „Mein Weg“ vorgesehen. Dieses gibt pädagogischen Fachkräften die Möglichkeit, jungen Flüchtlingen bei der Verarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen zu helfen und sie im Umgang mit Alltagsbelastungen zu unterstützen.

Für diejenigen Patientinnen und Patienten, die klinisch auffällige Symptome aufweisen, sieht der Versorgungsansatz schließlich eine individuelle Behandlung in Form der „Traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie“ (TF-KVT) vor. Die Forscherinnen und Forscher wollen über „Better Care“ auch zur weiteren Verbreitung dieses bewährten Therapieansatzes beitragen, zu dem der Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie der KU ein Onlinetraining für approbierte Psychotherapeuten anbietet (https://tfkvt.ku.de/).

Ausführliche Informationen zum Projekt gibt es unter https://bettercare.ku.de.