Orte im Spannungsfeld von Globalisierung und Differenzierung

Rund 20 internationale Forscherinnen und Forscher waren auf Einladung des DFG-Graduiertenkollegs „Practicing Place“ zu Gast an der KU. Anlass war die sogenannte Mid-Term Conference, die die Hälfte der ersten Förderphase des Kollegs markiert und unter dem Titel „Here, There, and Somewhere in Between: Placing, Practicing, Configuring” stand. Diese bot Anlass zum Dialog renommierte Expertinnen und Experten mit den am Kolleg beteiligten Forschenden. Höhepunkte waren die Keynote-Vorträge des renommierten Geografen Tim Cresswell (University of Edinburgh) und der Amerikanistin Antje Kley (FAU Erlangen-Nürnberg).

Die Forschung des Graduiertenkollegs konzentriert sich auf die Dynamiken von Orten im Spannungsfeld von Globalisierungsprozessen, Migrationsbewegungen und kultureller Differenzierung. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und ist seit dem Förderstart im April 2021 das erste DFG-Graduiertenkolleg an der KU Eichstätt. Mit 19 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen und Ländern, u.a. aus den USA, Tunesien, Indien, Deutschland und Großbritannien, spiegelte die Tagung die interdisziplinäre und internationale Ausrichtung des Kollegs wider. Dreh- und Angelpunkt der Mid-Term Conference war die Auswirkung von Handlungen auf Orte. Dabei nahmen die Vortragenden unterschiedlichste Aspekte in den Blick.

So thematisierte der Keynote-Vortrag des etablierten Geografen Tim Cresswell unter dem Titel „On Routes“ Handlungen als Bindeglied zwischen Orten. Der Fokus seiner Auseinandersetzung lag auf der Fortbewegung und dem Schaffen von Routen als politische und soziokulturelle Geste. Dabei betonte er, dass die Geradlinigkeit von Routen illusorisch sei und dass die materiellen Begebenheiten stets Umwege, Neu-Orientierung und Flexibilität erforderten. Nicht zuletzt verwies er auch auf die Machtverhältnisse, die unterschiedliche Routen prägten. Die Route durch das Mittelmeer nach Europa zum Beispiel untermauere die Vorherrschaft des globalen Nordens und die Unterdrückung der Menschen im globalen Süden.

Grako

Im zweiten Keynote-Vortrag wandte sich die Amerikanistin Antje Kley hingegen dem Thema Trauer in der Literatur zu. Anhand zeitgenössischer US-Literatur besprach sie den Tod als ein Ereignis, das Zeit und Raum in ein neues Verhältnis setze. Sie unterstrich die politischen und sozialen Bedingungen dieser Neubewertung und die Rolle der Literatur als säkularen Ort der Trauerbewältigung in einem neoliberalen System. In der Diskussion im Anschluss an ihren Vortrag wurde auch auf die Notwendigkeit neuer Orte zum Trauern hingewiesen, nachdem traditionelle Trauerorte wie der Friedhof allmählich an gesellschaftlicher Bedeutung verlieren.

Einen ähnlich heterogenen Blick warfen auch die unterschiedlichen Panels auf das Tagungsthema. Unter anderem verhandelten die Vortragenden die Arbeiten der Künstlerin Laurie Anderson, aber auch die Praktiken der indigenen Bevölkerung in Mexiko oder die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit in den USA durch das Tragen von Waffen. Trotz der unterschiedlichen disziplinären Ausrichtungen blieb dabei jedoch ein klares Ergebnis, das auch im Einklang ist mit der Grundthese des Kollegs: Orte sind wandelbar und werden stets durch Handlungen und Praktiken neu gestaltet.

Das vollständige Tagungsprogramm ist auf der Webseite des Kollegs abrufbar: www.practicing.place.