Sperrstunde für das bayerische Wirtshaus? Studie zu Wandel und Perspektiven einer traditionsreichen Institution

Wie steht es um die Zukunft der Wirtshäuser vor allem im ländlichen Bayern? Dieser Frage ging eine Studie des Lehrstuhls für Kulturgeographie an der KU nach, die im Auftrag des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes entstanden ist. Welche Rolle spielen diese Orte jenseits der gastronomischen Aspekte? Welche Bindung hat die Bevölkerung zu „ihren“ Wirtshäusern? Und: Trifft das Schlagwort vom Wirtshaussterben tatsächlich zu?

„Es gibt eine Reihe von Indikatoren mit deutlichen Hinweisen auf den Prozess des ,Wirtshaussterbens’. Die herkömmliche Schankwirtschaften, die dem Typus ,Wirtschaft’ noch am besten gerecht werden, nehmen stark ab“, heißt es in der Studie. Im bundesweiten Vergleich sei das Ausmaß der Veränderung in Bayern fast so gravierend wie in Nordrhein-Westfalen, wo vor allem die sog. Eckkneipen in großer Zahl wegbrechen. Lege man für Bayern die Anzahl der Steuerpflichtigen im Wirtschaftszweig der Schankwirtschaften zu Grunde, habe sich deren Zahl zwischen 1980 und heute um etwa 45% reduziert. Nach Regionen differenziert sei der Rückgang der getränkeorientierten Wirtshäuser überall feststellbar, doch stärker sind Schwaben, Unterfranken und Oberbayern betroffen. „Dort gibt es 2011 – zum aktuellsten Stand der amtlichen Daten – in deutlich mehr als 40% der Gemeinden keinen getränkeorientierten gastronomischen Betrieb mehr“, so die Autoren. Deutlich besser sei die Lage bei den speisenorientierten Gaststätten, doch immerhin suche der Gast in 257 der insgesamt 2.056 bayerischen Gemeinden vergeblich nach einer Speisegaststätte, wobei er sich in Niederbayern, der Oberpfalz und in Schwaben etwas schwerer als in anderen Regionen tue.

Bei der Suche nach Ursachen und Hintergründen für diese Entwicklung sind die Autoren der Studie auf ein ganzes Bündel von Aspekten gestoßen. „Einerseits sind die Ursachen bei den Betrieben selbst zu suchen (mangelnde Rentabilität, keine Nachfolgeregelung, geringe Investitionsbereitschaft, Mangel an guten Ideen zur Belebung des Geschäfts etc.). Hinzukommen gesetzliche Regelungen, die nicht auf das Wohlgefallen aller Betroffenen stoßen (Rauchverbot, kein genereller reduzierter Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie, zahlreiche Hygiene- und Feuerschutzvorschriften, Alkoholkontrollen etc.).“ Übergreifend seien in jedem Fall die Veränderungen unserer Gesellschaft, wie demographischer Wandel und Landflucht, zunehmend flexible Arbeitsverhältnisse, verändertes Konsum-, Informations- und Kommunikationsverhalten sowie gestiegene Mobilität – um nur einige der wichtigen Aspekte zu nennen.

Die Folgen und Auswirkungen der Abnahme von Dorfwirtshäusern sind enorm. Radikal bringt sie einer der Gesprächspartner in der Studie auf den Punkt: „Wo die Wirtschaft stirbt, stirbt der Ort!“ Das Wirtshaus als soziale Institution breche weg, als Ort der Geselligkeit und Unterhaltung, als Treffpunkt für Jung und Alt, als Austausch- und Informationsbörse, als Bühne für Feste und das örtliche Geschehen sowie durchaus auch als Einrichtung mit sozialer Kontrollfunktion. Mit dem Wirtshaus schließe aber auch so mancher Lieferant, nicht zuletzt kleine und mittelständische Brauereien, die mit der Konkurrenz billiger Getränkemärkte ohnehin zu kämpfen haben und denen das Wirtshaussterben schließlich den Garaus mache.

„Doch – das zeigen die Ergebnisse von Bürgerbefragungen sehr deutlich – sind die Wirtinnen und Wirte selbst aufgefordert, mit Kreativität und Innovationsgeist eine adäquate Antwort auf die zahlreichen Herausforderungen und Schwierigkeiten zu finden und viele tun es ja auch“, so die Forscher. Gerade Wirtshäuser im ländlichen Raum, die sich oftmals weitab von Orten höherer Zentralität befinden, hätten die Chance, über Internet und soziale Netzwerke neuen Bekanntheitsgrad zu erlangen. Hinzu komme, dass ein Wirtshaus ein hoch emotionaler Ort sein könne. Viele der befragten Experten meinen, dass die neuen sozialen Medien diese Emotionalität nicht ersetzen könnten. Deshalb sollten sich Wirtinnen und Wirte auf die neuen Formen der Kommunikation besser einstellen. Hier seien wiederum neue Konzepte, gute Ideen und innovative Ansätze gefragt. Und diese gebe es. „Der Wunsch nach Geselligkeit, persönlichem Austausch und nach sozialem Eingebunden-Sein, Grundbedürfnis eines jeden Mensch, scheint ein wichtiger Aspekt zu sein, nach dem die Jugend trotz (oder gerade wegen) Smart­phone und Co. ein deutliches Verlangen zeigt.“ Dieses Bedürfnis werde von jungen Menschen heutzutage meist an anderen Orten als im Wirtshaus ausgelebt, in Diskotheken, auf selbst organisierten Feiern oder in Bars. Hier seien gute Ideen, kreative Konzepte und innovative Strategien auf Seiten der Wirtinnen und Wirte gefragt, mit denen für eine für den Fortbestand der Wirtshäuser so wichtige Zielgruppe starke Anreize geschaffen werden, wieder einmal öfter „beim Wirt“ vorbeizuschauen.

Die ausführliche Studie findet sich zum Download auf der Homepage des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes.

Vorgestellt wurde die Studie erstmals auf dem vergangenen Bayerischen Tourismustag 2013 in Nürnberg. Im Nachgang dazu berichteten bereits zahlreiche Medien über die Studie, wie etwa Sat.1 oder der Bayerische Rundfunk.