Zu Besuch beim „grünen Riesen“: Geographen der KU nahmen Nachhaltigkeit in Brasilien unter die Lupe

Rohstoffgigant, südamerikanische Wirtschaftsmacht, „grüner Riese“ – die Superlative für das Land Brasilien, welches Ziel einer 15-tägigen Exkursion von Geographie-Studierenden der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) war, die von der Professur für Wirtschaftsgeographie (Prof. Dr. Hans-Martin Zademach) geleitet wurde. In den vergangenen Jahren hat Brasilien eine rasante ökonomische Entwicklung erfahren und stellt heute mit knapp 200 Mio. Einwohnern eine der zehn größten Volkswirtschaften der Erde dar. Gleichzeitig ist Brasilien nach wie vor von ganz erheblichen sozialen und regionalen Ungleichheiten gekennzeichnet, und die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter.

Wie lassen sich diese – teils widersprüchlichen – Entwicklungen erklären? Welche Rolle spielt die Einbindung Brasiliens in die Weltwirtschaft? Welche Auswirkungen gibt es für die Umwelt? Wie nachhaltig ist also der Aufstieg des Landes zu einer südamerikanischen Großmacht? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, reiste die Exkursionsgruppe von Rio de Janeiro über São Paulo und Campinas bis nach Salvador da Bahia.

Fünf Themenkomplexe standen während der Reise besonders im Zentrum: die Rohstoff- und Energiewirtschaft als Devisenbringer und Hoffnungsträger für steigende Exporterlöse (Öl- und Gasindustrie); Brasilien als Standort multinationaler Unternehmen für Produktion, Forschung und Entwicklung; die „Agrarweltmacht“ Brasilien; Megastädte als Steuerungszentralen und Problemräume sowie die Potenziale des Tourismus für die Entwicklung Brasiliens. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion entwickelten zu diesen Themen in der Vorbereitung der Reise ein breites Spektrum an Forschungsfragen, auf die während der Termine und Expertengespräche vor Ort sowie mittels der eigenen Beobachtungen – in Kombination mit den Kenntnissen aus der Literatur und dem Hörsaal – aufschlussreiche Antworten gefunden werden konnten.

In der Gesamtschau zeigt sich, dass Brasilien großes Potenzial für eine langfristige nachhaltige Entwicklung besitzt. Dabei bestehen jedoch große Unterschiede in den drei Teilbereichen der Nachhaltigkeit. Die ökonomische Entwicklung genießt derzeit eine große Priorität und die Entwicklung in Schlüsselbranchen wie der Öl- und Gasindustrie sowie der Agrarwirtschaft deuten auf einen weiteren positiven Entwicklungstrend hin. Die soziale Nachhaltigkeit ist kritisch zu bewerten, da nur ein Teil der  Bevölkerung am Wirtschaftsaufschwung partizipiert. Direkt beobachtbar sind Brüche in der Gesellschaft insbesondere in Megastädten wie Rio de Janeiro und São Paulo. Hier lässt sich eine starke sozialräumliche Segregation, die mit einer Privatisierung von Sicherheit und öffentlichem Raum einhergeht, unmittelbar im Stadtbild ablesen. Condomínios fechados (geschlossene und bewachte Wohnkomplexe) und die in Brasilien sehr beliebten Shopping Center sind allgegenwärtige Zeugnisse dieser Entwicklung. Auch die ökologische Nachhaltigkeit der Entwicklung scheint derzeit noch den beiden zunächst genannten Entwicklungszielen untergeordnet zu sein.

Es bleibt spannend zu beobachten, wie erfolgreich und nachhaltig der vom „grünen Riesen“ eingeschlagene Entwicklungspfad sich auf lange Sicht erweist. Die Exkursionsgruppe werden die Eindrücke aus diesem faszinierenden Land jedenfalls – nicht nur im Hinblick auf die bevorstehenden Megaevents – noch lange begleiten.