Revolutionen bleiben dort in Erinnerungen, wo sie am sichtbarsten ausgetragen werden: in den Straßenkämpfen. So verhält es sich auch mit den Revolutionen von 1848/49 im heutigen kollektiven Gedächtnis der deutschen Öffentlichkeit. Dass die Revolution schließlich zur Wahl einer Nationalversammlung führte, blieb auch noch im Bewusstsein. Anders verhält es sich hingegen mit der Einsetzung einer provisorischen Regierung für das noch nicht als Einheit existierende Reich. Eine Erinnerung an die erste parlamentarische, wenn auch provisorische Zentralgewalt für ganz Deutschland ist kaum vorhanden. Wer erinnert sich schon daran, dass ein österreichischer Erzherzog für rund eineinhalb Jahre als so genannter „Reichsverweser“ dieser Provisorischen Zentralgewalt vorstand und somit als erstes von einem Parlament gewähltes Regierungsoberhaupt über Deutschland fungierte?

Die Provisorische Zentralgewalt war die Exekutive der deutschen verfassunggebenden Nationalversammlung in der Revolution. Mit ihrer Gründung im Juni 1848 hat die im Frankfurter Parlament bereits institutionalisierte Revolutionsbewegung besonders gegenüber den staatlichen Gewalten in den Bundesstaaten ihren politischen Führungsanspruch mit Berufung auf die Volkssouveränität untermauert. Die Zentralgewalt stieß wegen ihrer fehlenden beziehungsweise erst im Aufbau befindlichen Ministerialverwaltung, ihrer begrenzten realen machtpolitischen Möglichkeiten gegenüber den entscheidenden Mächten Preußen und Österreich sowie der fehlenden diplomatischen Anerkennung bald an ihre Grenzen.

Nach der sukzessiven Auflösung der Frankfurter Nationalversammlung im Frühjahr 1849 griff sie darüber hinaus mitentscheidend in den Machtkampf zwischen Preußen, Österreich und den deutschen Mittelstaaten um die künftige Ausgestaltung des deutschen Nationalstaats ein. Die angestrebte Fondsedition würde nicht nur diesen Anteil am Revolutionsgeschehen einer bisher unterschätzten Kraft erhellen, sondern auch unter politikwissenschaftlicher Fragestellung Aufschluss über das Funktionieren der ersten parlamentarischen Regierung in Deutschland geben. Gleichzeitig dazu musste die Zentralgewalt aus dem Nichts heraus die Infrastruktur für ihr Regieren schaffen durch die Errichtung von Behörden, die Rekrutierung von Personal und die Sicherstellung der Finanzen. Ein bisher überhaupt nicht beachteter Umstand von besonderem verfassungs- und verwaltungsgeschichtlichem Reiz.

Der Zweck des Unternehmens ist es, der Geschichtswissenschaft die in verschiedenen Archiven aufgespürten und ausgewählten Quellen zur Tätigkeit der Provisorischen Zentralgewalt während der Revolution von 1848 / 49 transkribiert, kommentiert und durch detaillierte Register erschlossen zur Verfügung zu stellen. Damit werden hauptsächlich vier Ziele angestrebt.

1. Aufarbeitung von Einfluss und machtpolitischen Möglichkeiten der Provisorischen Zentralgewalt gegenüber der Nationalversammlung und den Regierungen der Bundesstaaten.

2. Erschließung der verfassungsgeschichtlichen Funktion und Praxis des im Juni 1848 errichteten Systems als Versuch einer Symbiose des parlamentarisches Regieren mit dem traditionellen Konstitutionalismus.

3. Eine institutionen- wie verwaltungsgeschichtliche Erforschung der politischen Probleme wie praktischen Herausforderungen des Aufbaus einer Regierung aus dem Nichts.

4. Ein mentalitäts- wie kulturgeschichtlicher Ansatz, um das Selbstverständnis der Mitglieder der ersten parlamentarischen Regierung in Deutschland, deren Motive, Formen der Entscheidungsfindung, Perzeption der Handlungsmöglichkeiten wie Außendarstellung offenzulegen.

Aktuelle Informationen über den Fortgang des Projekts finden sich auf dem Blog der Projektgruppe unter der Adresse http://achtundvierzig.hypotheses.org