Habilitationen

Sören Brinkmann (Universität Erlangen-Nürnberg)

Kampf den Volksvergiftern! Lebensmittelkontrolle und Lebensmittelpolitik in Brasilien, 1890-1945

Lebensmittelbetrug kennt keine geographischen oder historischen Grenzen. Eine besondere Dimension erreichten Lebensmittelfälschungen allerdings im Zuge der modernen Stadtentwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Denn die Entfernung städtischer Bevölkerungen von der traditionellen Selbstversorgung sowie die Entwicklung der modernen Chemie eröffneten ungeahnte Spielräume für Fälschungspraktiken aller Art. Die Intervention des Staates beruhte dabei auf der Einsicht, daß der Verbraucher sich angesichts der Verfeinerung des Betrugs immer weniger selbst schützen konnte und viele Fälschungen zudem mit beträchtlichen Gesundheitsrisiken verbunden waren. Das von der DFG geförderte Forschungsprojekt untersucht die städtischen bzw. staatlichen Ordnungsbemühungen im Bereich der Lebensmittelhygiene in der Zeit von 1890 bis 1945 am Beispiel von Rio de Janeiro, São Paulo und der Region Rio Grande do Sul. Die Wahl der drei geographischen Schwerpunkte erklärt sich aus der Tatsache, daß die beiden Städte die größten Konsumentenmärkte des Landes darstellten, während Rio Grande do Sul als wichtigster Lieferant von Grundnahrungsmitteln fungierte. Die Untersuchung fragt vor diesem Hintergrund nach den jeweiligen gesellschaftspolitischen Kontexten staatlicher Intervention und vergleicht die regionalen Entwicklungsprozesse. Eine weitere Untersuchungsebene ergibt sich aus dem Betrachtungszeitraum, der mit der Alten Republik (1889-1930) und der Vargas-Ära (1930-1945) zwei im Hinblick auf den Interventionsanspruch des Staates sehr unterschiedliche Perioden umfaßt. Es stellt sich somit die Frage, inwieweit das Jahr 1930 auch für die Herausbildung der Lebensmittelaufsicht einen Zäsurcharakter besaß. (Abschluss Januar 2015)
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Sven Schuster

"Fortschrittlich, zivilisiert, weiß": Ausstellungskultur, nationales Selbstbild und Rassediskurs in Brasilien, 1861-1929

Im Zentrum dieses Projekts steht das von den brasilianischen Eliten im Zeitraum von 1861 bis 1929 im Ausstellungswesen konstruierte nationale Selbstbild.
Der Fokus liegt zum einen auf den offiziellen nationalen Großausstellungen (Exposições Nacionais), die ab 1861 regelmäßig durchgeführt wurden und im Jahre 1922 anlässlich der 100-Jahrfeier der Unabhängigkeit in der so genannten Exposição do Centenário kulminierten. Des Weiteren konzentriert sich diese Arbeit auf die brasilianische Beteiligung an den Weltausstellungen zwischen 1862 (London) und 1929 (Sevilla), zu deren Vorbereitung die nationalen Ausstellungen ursprünglich gedacht waren.
Da diese Ausstellungs-Events vor dem Zeitalter der Massenmedien, das in Brasilien mit der Machtübernahme des Nationalpopulisten Getúlio Vargas im Jahre 1930 beginnt, im Hinblick auf ihre Breitenwirkung nahezu konkurrenzlos waren, soll vor allem deren Beitrag zur Nationbildung untersucht werden. Im Zentrum der Analyse stehen dabei Diskurse über "Rasse", "Fortschritt" und "Zivilisation", die von den Ausstellungsmachern als tragende Elemente der zu schaffenden Nation angesehen wurden. Die Regeln, denen diese Diskurse gehorchten, sollen mit den Mitteln der Diskursanalyse sichtbar gemacht werden, ebenso wie Brüche, Kontinuitäten und möglicher Widerstand. Neben der Auswertung konventioneller Quellen in Schriftform stützt sich diese Arbeit vor allem auf Bildquellen (Kunstwerke und Fotografie), die meist integraler Bestandteil der Ausstellungen waren.
Im Gegensatz zu bisherigen Studien werden Bilder hier jedoch in historische Diskurse eingebettet und in einem sozialen Kommunikationszusammenhang interpretiert. Solche "Bilder der Macht" konnten in spezifischen historischen Konstellationen durchaus soziopolitische Funktionen erfüllen (z. B. im Hinblick auf die angestrebte "Aufweißung" der Bevölkerung durch Einwanderung oder die soziale Exklusion der Afro-Brasilianer). Auch die Rezeption der Ausstellungen, welche wiederum Teil eines sich im 19. Jahrhundert allmählich ausbildenden Exhibitionary Complex (Tony Bennett) waren, ist bislang kaum erforscht. (Abschluss Januar 2015)
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