Call for Papers

Klio hat jetzt Internet.

Historische Narrative in hypermedialen Kanälen. Drittes Maximilian-Bickhoff-Kolloquium.

Die Rezeption von Youtube-Videos spielt gerade für jüngere, zunehmend aber auch für ältere Bevölkerungsgruppen eine große Rolle. Die Corona-Pandemie dürfte als Katalysator sowohl für die Quantität als auch die Intensität der Nutzung sowie die Produktion von Angeboten gewirkt haben. Ein nicht unerheblicher Teil an Youtube-Kanälen thematisiert dabei historische Inhalte in sehr heterogenen Professionalisierungsgraden. „MrWissen2go Geschichte“ oder „Geschichte – Simple Club“ versorgen hunderttausende Abonnenten in ihren regelmäßig veröffentlichten Videos mit historischen Informationen und Interpretationen von der Antike bis in die Zeitgeschichte. Internationale Kanäle erreichen teilweise ein Millionenpublikum. Bei dieser Fülle an Angeboten überrascht die relative Stille der Geschichtswissenschaften zu diesem Thema, gebrochen durch einen Workshop im Jahr 2016 (Bunnenberg, Christian/Steffen, Nils [Hgg.], Geschichte auf Youtube. Neue Herausforderungen für Geschichtsvermittlung und historische Bildung [Medien der Geschichte 2], Berlin/Boston 2019).

An diesen knüpft die Tagung „Klio hat jetzt Internet“ an, indem sie einen Schwerpunkt auf den Aspekt der Geschichtsdarstellung und deren Einbettung in das Medium Youtube legt. Die zweitägige Onlineveranstaltung (30.9.-1.10. 2021) widmet sich aus geschichtswissenschaftlicher, geschichtsdidaktischer und medienwissenschaftlicher Perspektive den Formen der Geschichtsdarstellung, Geschichtsbildern und ihrer Vermittlung auf You-Tube.

Im allgemeinen Verständnis werden Geschichte und Vergangenheit tendenziell als synonym begriffen. Geschichte, verstanden als historische Erzählung über die Vergangenheit, ist jedoch zwangsläufig von ihrer jeweiligen Entstehungsgegenwart sowie der damit zusammenhängenden Erzähler*innenperspektive geprägt. Dementsprechend schlägt sich historisches Denken auch in Youtube-Videos nieder, in denen Contentersteller*innen selektiv und (retro-)perspektivisch Vergangenheit (re-)konstruieren. Da die Videos als Manifestationen von Geschichtskultur neben einer kognitiven (‚Was wird erzählt?‘) und einer ästhetischen (‚Wie wird erzählt?‘) ebenso eine politische Dimension (‚Wozu wird erzählt?‘) besitzen, machen sie (implizite oder explizite) Orientierungsangebote an die Rezipient*innen. Da historischen Orientierungen handlungsleitende Motive entspringen können, ist es notwendig, die ‚Vermittlungsangebote’ auf Youtube zu reflektieren.

Mögliche Themen und Fragestellungen wären:

Panel I: Geschichtskulturelle Aushandlungsprozesse

  • Wie werden Geschichtsvideos von Interessengruppen (staatliche und private Institutionen, Parteien, Vereine etc.) oder Einzelpersonen für ihre eigenen Ziele verwendet? (Geschichtspolitik)
  • Wie werden Geschichtsvideos rezipiert? Welche Rolle spielen sie im Rahmen eskapistischer Freizeitgestaltungsmodelle oder als Bildungsmedien?
  • Inwiefern finden in den Kommentarspalten Diskussionen unter Rezipient*innen sowie zwischen Rezipient*innen und Contentersteller*innen statt? (Diskursanalyse)

Panel II: Mediale Inszenierungen

  • Welche medienspezifischen Erzählweisen ergeben sich etwa aus der Bereitstellung auf der Plattform Youtube?
  • Kommt es zu Wechselwirkungen zwischen anderen Videogenres auf Youtube (z.B. Let’s Plays, Beauty- oder Comedyvideos) und – wenn ja – wie sehen diese Wechselwirkungen aus?
  • Welche Auswirkungen haben etwaige finanzielle Interessen der Contentersteller*innen?
  • Wie wirkt sich die Ausrichtung auf spezielle Zielgruppen aus?
  • Wie wird ein Zusammenhang zwischen Gesagtem und Bild hergestellt?
  • Welche Funktion erfüllen Bild und Ton?

Panel III: Geschichtsdarstellungen und Geschichtsbilder

  • Welche Geschichtsbilder werden erzeugt, aufgegriffen und transportiert? (z.B. in Form von rezeptionsgeschichtlichen Einordnungen, Triftigkeitsanalysen o.ä.)
  • Wie wird Geschichte aufbereitet? Orientiert sich die Darstellung an der Forschung zur materiellen Kultur der Vergangenheit oder basiert sie auf popkulturellen Darstellungen?
  • denkbar sind auch Strukturanalysen einzelner Geschichtskanäle
  • epochenspezifische Fallstudien

Ausdrücklich möchten wir zur Teilnahme mit Themen zur alten, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte aufrufen.

Wir bitten um die Einsendung von Abstracts zu Ihrem geplanten 20-minütigen Beitrag im Umfang von max. 300 Wörtern und eine Kurzvita bis zum 19.4.2021 an kilian.baur(at)ku.de. Die Publikation der Tagungsergebnisse ist geplant.