Auszeichnung für herausragende Dissertation: Verena Schröder erhält den VGDH-Preis 2025

Große Freude in der Arbeitsgruppe Humangeographie: Verena Schröder wurde im Rahmen des „Abends der Geographie“ in Augsburg mit dem VGDH-Preis für besonders herausragende Dissertationen im Bereich der Humangeographie 2025 ausgezeichnet. Der renommierte Preis des Verbands für Geographie an deutschsprachigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen (VGDH) wird nur alle zwei Jahre vergeben und zählt zu den bedeutendsten Ehrungen der deutschsprachigen Geographie.

Sie erhielt die Auszeichnung für ihre Dissertation mit dem Titel „Mensch-Wolf-Beziehungen in der alpinen Kulturlandschaft. Transaktionen, Intraaktionen und Resonanzen: Eine mehr-als-menschliche Geographie des Verbundenseins“, die sie in ihrer Zeit in der Arbeitsgruppe Humangeographie an der KU verfasst hat. In der Arbeit untersucht sie die vielschichtigen Beziehungen zwischen Menschen und Wölfen in der Schweiz.

Eine neue Perspektive auf das Zusammenleben von Mensch und Tier

Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, wie Menschen und Wölfe in der alpinen Kulturlandschaft koexistieren – nicht als voneinander getrennte Wesen, sondern als Akteure, die sich gegenseitig beeinflussen und verändern. Sie beschreibt diese Koexistenz als leibliche Praxis: Spuren, Geräusche, Gerüche und Bewegungen werden zu Ausdrucksformen einer wechselseitigen Beziehung.
„Wölfe agieren nicht losgelöst von Menschen, sondern werden durch menschliche Praktiken transformiert – ebenso verändern die Tiere die Menschen und deren Wahrnehmungen und Emotionen“, erläutert Verena Schröder. Niemand in den betroffenen Regionen bleibe von den Tieren unberührt.

Diese schwer fassbaren Verflechtungen machen den besonderen Reiz, aber auch die Herausforderung der Forschung aus. Denn gerade in den emotional aufgeladenen Debatten um die Rückkehr der Wölfe spielen viszerale, sinnlich-emotionale Erfahrungen – das Sehen, Spüren, Irritiertsein – eine zentrale Rolle. Sie beeinflussen, wie über das Leben und den Tod der Tiere verhandelt wird, ebenso gehen aus ihnen neue Materialitäten, Territorialisierungen und (Im)Mobilitäten hervor.

Theoretische Fundamente und innovative Methoden

Zur Analyse dieser Mensch-Tier-Beziehungen stützt Verena Schröder sich auf drei theoretische Säulen:

  • John Deweys Pragmatismus und Transaktionstheorie, um die dynamischen Praktiken und ökologischen Rückkopplungen zwischen Lebensformen zu verstehen,
  • Karen Barads Konzept des agentiellen Realismus, das die Verflechtung von Materiellem und Diskursivem in der Wolfsdebatte beleuchtet, sowie
  • Hartmut Rosas Resonanztheorie, die die fühlbare Dimension von Mensch-Wolf-Begegnungen und unterschiedlichen Weltverhältnissen erfahrbar macht.

Besonderes Augenmerk legt die Forscherin auch auf methodische Innovationen, die sich aus einer anthropozentrismuskritischen Perspektive ergeben. Neben Interviews in Form von Go-Alongs und tierzentrierter Geschichtenerzählung kamen multisensorische und visuelle Methoden zum Einsatz. Schröder entwickelte unter anderem einen kollaborativen Comic, der mehr-als-menschliche Narrative anschaulich macht und die emotionale Qualität ihrer Forschung unmittelbar erfahrbar werden lässt. Dieser Comic wurde als multisensorisches Erlebnis mit Klanguntermalung im Rahmen einer Ausstellung zum Thema Kohabitation präsentiert.

Für einen geplanten Fotoband porträtierte Schröder zudem ihre Interviewpartner:innen. Dieser Ansatz schuf persönliche Nähe und diente zugleich als Grundlage für die visuelle Umsetzung des Comics.

Forschung im Calanda-Gebiet

Ihre Feldforschung führte Schröder ins Schweizer Calanda-Gebiet, wo sich 2012 erstmals wieder ein Wolfsrudel etablierte. Während ihrer Aufenthalte auf Hütten des Schweizer Alpenvereins und in privaten Jagdhütten konnte sie die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Menschen, Wölfen und anderen Tieren beobachten.

Eine Geographie des Verbundenseins

Im Fazit ihrer Arbeit betont Schröder, dass Koexistenz verstanden als leibliche Praxis aufzeigt, wie tief gesellschaftliche Umweltkonflikte in sinnlich-emotionalen Erfahrungen wie Kontrollverlust, Entfremdung von Welt oder fehlender gesellschaftlicher Wertschätzung von Interessengruppen verwurzelt sind.
Ihre Dissertation lädt dazu ein, das Verhältnis zwischen Menschen, Wölfen und anderen Lebewesen neu zu denken.

Mit ihrer Konzeption einer „mehr-als-menschlichen Geographie des Verbundenseins“ entwickelt Schröder ein theoretisches und praktisches Fundament für eine Koexistenz, die auf Verbindung statt auf Kontrolle beruht. Wölfe bleiben darin unbestimmt und unverfügbar – und gerade in dieser Offenheit liegt, so Schröder, das Potenzial, neue Formen von Lebendigkeit und Selbstwirksamkeit zu erfahren.

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