KU veranstaltet Konferenz zu Integraler Ökologie in Rom

Integrale Ökologie und weitere ganzheitliche Konzepte für eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit standen im Zentrum einer gemeinsamen internationalen Tagung, die die KU an und mit der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom veranstaltet hat.

Integrale Ökologie und weitere ganzheitliche Konzepte für eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit standen im Zentrum einer gemeinsamen internationalen Tagung, die die KU an und mit der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom veranstaltet hat. Ziel der Konferenz war es, einen inter- und transdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs und entsprechende Forschung für Nachhaltige Entwicklung zu aktivieren und zu forcieren, um holistische Ansätze für Nachhaltige Entwicklung und globale Gerechtigkeit in Reaktion auf die großen Herausforderungen und Krisen unserer Zeit zu entwickeln.

Das Kernthema der Konferenz waren Integrale Ökologie und Nachhaltigkeit in transdisziplinärer Perspektive. Als weitere Co-Konferenz-Veranstalter firmierten die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e. V. (VDW) und die Universität Passau. Partner waren unter anderem das Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK), das Laudato Si’ Research Institute, Campion Hall, University of Oxford, die Fordham University, New York, die Universidad Católica de Costa Rica und das Centre for Catholic Studies, Chinese University of Hong Kong. Das Laudato Si‘-Projekt der KU hatte die Konferenz-Kooperation initiiert und wirkte umfangreich in der Organisation mit. Der Titel der dreitägigen Konferenz lautete: „Transitioning to Integral Ecology? Transdisciplinary Approaches for the Grounding and Implementation of a Holistic Worldview“.

Die KU war mit sechs Personen in Rom vertreten, welche Vorträge hielten, Konferenzparts moderierten und in der Organisation mitwirkten. Fünf KU-Professorinnen und -Professoren waren beteiligt: Prof. Dr. Anne-Kathrin Lindau, Inhaberin der Professur für Geographiedidaktik und Bildung für nachhaltige Entwicklung sowie Nachhaltigkeitsbeauftragte der KU, Prof. Dr. Martin Kirschner, Inhaber des Lehrstuhls Theologie in Transformation, Prof. Dr. Harald Pechlaner, Inhaber des Lehrstuhls Tourismus und Leiter des Zentrums für Entrepreneurship, Prof. Dr. Simone Birkel, Vertreterin der Professur für Religionspädagogik, Prof. Dr. em. Ingrid Hemmer, ehemalige Inhaberin der Professur für Didaktik der Geographie. Christian Meier, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der KU-Professur für Geographiedidaktik und Bildung für nachhaltige Entwicklung, war einer der Hauptorganisatoren der Konferenz: Er arbeitete seit mehr als zwei Jahren im Organisationskomitee der Konferenz als Vertreter der KU mit und koordinierte dieses. Am ersten Konferenztag war er Co-Moderator.

Die KU nahm und nimmt damit eine zentrale Akteursrolle im sich herausbildenden internationalen Netzwerk von Hochschulen ein, welche intern und zusammen mit externen Partnern durch inter- und transdisziplinäre Ansätze als Teil einer verantwortungsvollen Wissenschaft einen Beitrag zu einer ökologisch-sozialen Nachhaltigkeitstransformation leisten möchten. Ein dreistündiges Kooperationsmeeting von KU, Università Gregoriana und Universität Passau, welches ebenfalls in Rom stattfand, verdichtete das Vorhaben weiter.

Prof. Dr. Martin Kirschner, welcher am zweiten Tag referierte, fasst seine Eindrücke folgendermaßen zusammen: „Die Tagung hat hervorragende Möglichkeiten zur interdisziplinären und internationalen Vernetzung geboten, die für die Arbeit an einer integralen Ökologie so wichtig sind. Inhaltlich ist mir einmal mehr deutlich geworden, wie eng die Notwendigkeit einer großen Transformation zu Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit an die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung und Vertiefung der Demokratie gebunden ist. Nur wenn die Menschen und Bewegungen vor Ort, mit ihrem Erfahrungswissen und ihren Interessen beteiligt sind und Protagonisten der Erneuerung sind, kann eine nachhaltige Umkehr gelingen. Religion und Spiritualität spielen hier eine wichtige Rolle, gerade indem die Weisheit indigener Völker, die Einbettung des Menschen in das Netzwerk des Lebens und die Würde aller Geschöpfe tiefer erkannt werden. Die Kirche kann viel dazu beitragen, indem sie selbst eine solche Umkehr vollzieht und als Teil der globalen Zivilgesellschaft an einer integralen Umkehr mitwirkt.“

Für eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit sind alle Wissenschaftsbereiche und weitere Quellen von Wissen und Weisheit einzubeziehen, waren sich die Veranstaltenden einig. Das Konzept einer Integralen Ökologie und weiterer ganzheitlicher Weltsichten als Paradigma für Nachhaltige Entwicklung wurde deswegen in transdisziplinärer Perspektive analysiert und diskutiert. Der Schwerpunkt der Konferenz lag darauf, Diskurs zwischen den Disziplinen zu entfachen, um der ökologisch-sozialen Krise und weiteren, multiplen, globalen Krisen zu begegnen. Es sollten Lösungsansätzen im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung gesucht werden und Impulse für eine interdisziplinäre Debatte über die zukünftige Gestaltung unserer Erde gegeben werden. Hierzu waren rund 40 Vorträge von internationalen Expertinnen und Experten von vier Kontinenten, überwiegend aus dem Wissenschaftsbereich und den Religionen, aber auch aus der Nachhaltigkeitspraxis, im Programm angesetzt. Es galt, respektvolle Wege zu finden, aus streng disziplinären Barrieren und ebensolchem Denken auszubrechen und sich gegenseitig konstruktiv zu animieren. Explizit sollten auch methodische und fachwissenschaftliche Anknüpfungspunkte in den verschiedenen Disziplinen eruiert und mögliche Rahmensetzungen für kooperatives Forschen aufgetan werden.

Integrale Ökologie als ganzheitliche Weltsicht und Entwicklungsperspektive, in der alles mit allem verbunden ist, hat drei Hauptdimensionen: die naturwissenschaftliche Dimension, die sozioökonomische, kulturelle Dimension, die philosophisch-theologische, ethische Dimension. Je ein Konferenztag widmete sich schwerpunktmäßig einer dieser Dimensionen. Diese Hauptdimensionen wurden illustriert, analysiert und in Bezug gesetzt zu Fragen Nachhaltiger Entwicklung in Wissenschaft und allen gesellschaftlichen Subfeldern in Transformation.

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK), hielt als Klima-Ökonom eine Keynote zur sozioökonomischen, kulturellen Dimension von Integraler Ökologie, und hier im Speziellen zu den wichtigsten und aktuellsten Erkenntnissen und den Herausforderungen in der Klimakrise. Edenhofer gehört zu den Top 1-Prozent der meistzitierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit. Edenhofer illustrierte, dass eine ansteigende CO2-Bepreisung nötig sei für Klimaneutralität bis 2030. Gemäß dem „Polluter Pays“-Prinzip könnten CO2-Emmissionen nur dann als ethisch akzeptabel beurteilt werden, wenn die ökonomischen und sozialen Kosten beim Verursacher voll eingepreist würden. Prof. Dr. Dr. Celia Deane-Drummond, Direktorin des Laudato Si’ Research Institute, Campion Hall, University of Oxford, fokussierte als Biologin und Theologin in ihrem Vortrag auf technologische Transformationsprozesse, die auf naturwissenschaftlichen Forschungsfortschritten basieren, bspw. in der Gentechnologie. Sie ging im Speziellen auf deren Potenziale und Grenzen unter ethischen und theologischen Maßstäben ein.

César Ferrari, Ökonomie-Professor an der Pontifical Javeriana University, Bogotá, Colombia, referierte zu den Bedingungen eines Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft und wie die Wegwerfkultur überwunden werden könne, mit Fokus auf Lateinamerika. Damit dies gelänge und eine neue Marktwirtschaft Eingang fände, müsste unter anderem der Konsum reduziert werden, die Ersparnisse und die Investitionen in bestimmte Wirtschaftsbereiche hingegen anwachsen. Michael Schuck, Theologie-Professor an der Loyola University Chicago, betonte, dass, wenn man zu einer echten und tiefgreifenden ökologischen Umkehr gelangen möchte, wir für eine Weile unsere Konzepte, unsere Daten, unseren unwiderruflichen Sicherheiten und Egos zu Seite stellen müssten und stattdessen unsere Aufmerksamkeit auf die Erde, auf andere, auf uns selbst, auf den Kern der Dinge richten müssten, und – als Bildungseinrichtungen, im Angesicht der Umweltkrise – insbesondere auf die Jugend.

Barbora Šedová, Co-Leiterin des „FutureLab – Security, Ethnic Conflicts and Migration“ am Potsdam Institute for Climate Impact Research, illustrierte ihre These: Der Ansatz einer Integralen Ökologie unterstütze Migration im Globalen Süden dabei, zu einer wohlfahrtsstärkenden Anpassungsstrategie in Zeiten des Klimawandels zu werden. Fernando Sánchez Campos, Rektor der Universidad Católica de Costa Rica, stellte den von seiner Universität entwickelten „Humanist Integral Ecology Index (HIEI)“ als ein ganzheitliches Analyseinstrument vor. Der HIEI misst den sozialen und ökologischen Fortschritt von Ländern. Er nimmt seine Indikatoren aus den Forderungen der Enzyklika Laudato si‘ sowie aus sozioökonomischen Variablen aus den klassischen Modellen, die die Wissenschaft nutzt um menschlichen Fortschritt zu messen. Noëlie Djimadoumbaye, Theologin aus Abidjan in Westafrika, skizzierte Ansätze um gemeinsame Bedeutungsgehalte zwischen lokaler Kultur, Wissenschaft und dem christlichen Glauben herzustellen.

Die Referierenden und Konferenzteilnehmenden reflektierten bzw. vertieften und diskutierten somit das Konzept „Integrale Ökologie“ und seine Hauptdimensionen, ergänzten es mit den jeweils eigenen disziplinären Perspektiven, reicherten es in transdisziplinärem Modus an und stellten den Bezug zu weiteren ganzheitlichen Weltbildern, Wissenschaftsverständnissen und Entwicklungsmodellen säkularer Herkunft her.

Co-Konferenz-Organisator Christian Meier resümierte: „Ein toller Output wäre, wenn die teilnehmenden hochrangigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den inter- und transdisziplinären Diskurs von Theologie, Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften in ihren Institutionen, Wirkumfeldern und zahlreichen Initiativen, vor allem im Bildungsbereich, dauerhaft forcieren würden, so dass jeweils das Beste aus naturwissenschaftlich-rationalen Herangehensweisen und aus religiös-normativen Ansätzen zusammengeführt wird und sich ergänzt, für eine nachhaltigere und gerechtere globale Entwicklung.“

Weitere Informationen zur Konferenz finden sich unter
https://laudato-si-transformation.de/veranstaltungen/rome2022conference-transitioning-to-integral-ecology