Auftakt für Graduiertenkolleg „Practicing Place“

Practicing Place
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Die Reflexion von Ort und Raum angesichts von globalen Bewegungen, nationaler Abgrenzung und grenzenloser Kommunikation steht im Zentrum des neuen Graduiertenkollegs „Practicing Place: Soziokulturelle Praktiken und epistemische Konfigurationen“ an der KU, das nun mit einer Auftaktveranstaltung offiziell eröffnet worden ist. Coronabedingt fand die Feier als hybrides Format mit begrenztem Präsenz-Publikum statt. Die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich im Kolleg zusammenfinden, stammen unter anderem aus Indien, Mexiko, Brasilien, Kolumbien, Großbritannien, den USA, Frankreich und Spanien.

Das Spektrum der beteiligten Fächer reicht von Literatur- und Kulturwissenschaften über Soziologie, Philosophie und Geographie bis hin zur Kunstgeschichte. Zum Graduiertenkolleg gehörten zehn Doktorandinnen und Doktoranden, eine Post-Doktorandin, neun Hochschullehrerinnen und -lehrer und 14 Assoziierte. Hinzu kommt ein breites Netzwerk an renommierten internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Es handelt sich an der KU um das erste von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Graduiertenkolleg, die das Konzept über viereinhalb Jahre hinweg mit rund drei Millionen Euro fördert.

Bislang sind Fragen von Ort und Verortung vorwiegend innerhalb einzelner Disziplinen mit ihren jeweiligen Methoden ergründet worden. Doch gerade die unscharfe Mischung von sozialen, politischen, künstlerischen und literarischen Aspekten macht eine interdisziplinäre Herangehensweise erforderlich. Als Sprecherin des Kollegs betonte Prof. Dr. Kerstin Schmidt, dass sich die Forschenden Orten nicht als unveränderliche Monolithe nähern wollen, sondern nach den Praktiken fragen, die Orte dynamisch herstellen und definieren. Wie wirkt sich zum Beispiel die virtuelle Realität in einem Computerspiel auf das eigene Ortsgefühl aus? Welche Auswirkungen hat die Globalisierung auf das Erleben von Orten? Wie werden öffentliche Plätze durch Demonstrationen neu gedeutet oder infrage gestellt? Die Arbeit des Kollegs ist darauf ausgerichtet, die Theoriebildung kreativ und in interdisziplinärem Austausch voranzutreiben und damit junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktiv in das akademische Arbeiten und in gemeinsames Forschen einzubinden.

„Wir sind sehr stolz, dass die Antragstellerinnen und Antragsteller des Kollegs die DFG mit ihrem innovativen Konzept überzeugt haben! Der KU bietet dies nicht nur die Möglichkeit, den Rahmen für wissenschaftliches Neuland zu bereiten. Wir selbst profitieren ebenfalls vom Austausch mit dem internationalen wissenschaftlichen Nachwuchs, um uns weiterzuentwickeln“, betonte Prof. Dr. Jens Hogreve, Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, bei der Eröffnungsveranstaltung.

Als Festrednerin zeigte sich die Kultur- und Sozialanthropologin Prof. Dr. Ayşe Çağlar (Universität Wien) begeistert von der internationalen und fachübergreifenden Ausrichtung des Graduiertenkollegs.Çağlar war unter anderem Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften. Sie berichtete in ihrem Vortrag über eine Studie zur Rolle von Migrantinnen und Migranten als Gestalter von Städten. Dafür entwickelte und verglich sie Ethnographien dreier Städte, die darum kämpfen, ihr früheres Ansehen wiederzuerlangen - Mardin in der Türkei, Manchester im US-Bundesstaat New Hampshire sowie Halle an der Saale in Deutschland. Sie stellte dabei die Annahme in Frage, wonach Migranten an der Peripherie der Gesellschaft leben, den sozialen Zusammenhalt bedrohen und integriert werden müssen. Çağlar konnte stattdessen die vielschichtige Rolle von Migrantinnen und Migranten als Stadtgestalter zeigen, einschließlich ihrer Beziehungen zu städtischen Beamten, Stadtentwicklern, politischen Führern, Besitzern von Geschäften, Community-Organisatoren und Bewegungen für soziale Gerechtigkeit.