Ist Erfolg der größte Feind des Tourismus?

Keynote und Panel-Vortrag auf der Internationalen Konferenz „Between Overtourism and Undertourism“ in Lecce

Prof. Harald Pechlaner und Daniel Zacher nahmen Ende Juni an der Internationalen Konferenz „Between Overtourism and Undertourism“ im italienischen Lecce teil.

Daniel Zacher stellte die Ergebnisse einer empirischen Studie vor, welche vom Lehrstuhl Tourismus anlässlich der ITB 2018 gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung an der LMU München durchgeführt wurde.

Prof. Pechlaner sensibilisierte die Teilnehmer in seiner Keynote „Is success the biggest enemy of tourism? Selected remarks on the end of the „tourism age“ dahingehend, dass die aktuelle Diskussion um Overtourism über die Extrembeispiele überfüllter Destinationen hinausgeht. Die weit verbreitete Meinung vieler Tourismusakteure auf Destinations- und Betriebsebene lautet: Durch intelligente und mit Informationen aus digitalen Technologien gestützte Steuerungsmaßnahmen und durch ein gezieltes Marketing mit Blick auf die zeitliche und räumliche Verteilung der Gästeströme, können die aktuell wahrgenommenen Herausforderungen bewältigt werden.

Diese Einschätzung wird von Prof. Pechlaner im Rahmen seiner Ausführungen auf der Konferenz nur teilweise bestätigt. Das Problem des Overtourism liege tiefer. Orte verlieren ihren Charakter und werden zu Touristenorten, die ihre klassischen Funktionen als Stadt der Einwohner nachhaltig schädigen, wenn strategische Weitsicht und gezielte Planungen eines Miteinanders von Destinations- und Lebensraum ausbleiben.

Die aktuellen Proteste der Einwohnerschaft an touristisch stark frequentierten Orten kann als ein starkes Signal verstanden werden, dass ein „Weiter so“ nicht die Lösung sein kann. Maßnahmen der Besucherlenkung an Hotspots sowie ein aktiver und ehrlicher Dialog mit der ansässigen Bevölkerung stellen zweifelsohne wichtige Voraussetzungen für eine gelingende Transformation der Destinationsentwicklung dar, und dennoch sind Destinationen aktuell immer wieder überrascht, wie beispielsweise durch das Teilen der Bilder auf Instagram besonders pittoreske Orte innerhalb kürzester Zeit zur Massenattraktion werden.

Scheinbar ist die konsequente Beschränkung von Besucherzahlen oder das Erheben von Eintritten in bislang öffentlich zugänglichen Gebieten und Räumen, zum Beispiel Kirchen, ohne Alternative. Solche Zugangsbeschränkungen können bei Gästen durchaus emotionale Reaktionen auslösen und es ist nicht gesagt, ob mit derlei Maßnahmen die gewünschten Zielgruppen mittelfristig noch erreicht werden können. Und was passiert, wenn in Zeiten der Diskussion um CO²-Abgaben oder in Zeiten zunehmender Kosten bei der Altersversorgung aufgrund besserer medizinischer Versorgung und demographischen Entwicklungen das Reisen wieder so exklusiv bzw. teuer wird, wie es vor vielen Jahrzehnten einmal war?

All dies löst die Frage aus, welche auch schon im Rahmen der diesjährigen Eichstätter Tourismusgespräche intensiv diskutiert wurde: Geht das touristische Zeitalter zu Ende?

Der erfahrene Reisende jedenfalls sucht nach authentischen Erlebnissen und nach Beteiligung am Alltäglichen. Er denkt über die Konsequenzen des Reisens nach, was sich beispielsweise in der derzeit viel diskutierten Flugscham ausdrücken kann. Overtourism kann als ein Anlass verstanden werden, sich als Destinationsmanagementorganisation all diesen Fragen kritisch zu stellen und die Strategie auf ein Miteinander zwischen Einheimischen und Gästen auszurichten. Hier stehen wir erst am Anfang einer Diskussion. Diese bereits heute intensiv zu führen, konnte der Besuch der Konferenz in Lecce eine exzellente Gelegenheit bieten.