Nachhaltigkeit, Klimawandel und Overtourism: Die Zukunft des Alpentourismus

Anfang September folgten Hannah Zehren und Julian Philipp, Mitarbeitende des Lehrstuhls Tourismus, einer Einladung der Georg-von-Vollmar-Akademie, um im idyllisch gelegenen Kochel am See am Rande der Alpen ein einwöchiges Seminar zum Thema „Alpentourismus – ein Raum für alle?“ zu halten. Im Rahmen dessen wurde den über 20 Teilnehmenden ein Einblick in das touristische System, den Alpenraum und dessen Besonderheiten in der touristischen Entwicklung gegeben. Zentrale Fragen des Seminars waren: Wie viel Tourismus verträgt der Alpenraum? Wie sieht der Tourismus momentan und in Zukunft aus? Welche Auswirkungen hat der Tourismus auf die Natur und das Klima in den Alpen?

In einem abwechslungsreichen und aus theoretischem Input, Gastvorträgen, Gruppendiskussionen, Reflexionsphasen sowie Auszügen aus Dokumentationen bestehenden Programm wurden die Teilnehmenden für eine ganzheitliche Sicht auf den Tourismus sensibilisiert. Mehrere regionale wie auch internationale Gäste sorgten für spannende externe Einblicke und Perspektiven: Antonio, Garzón, Tourismusberater auf den Kanarischen Inseln, sprach über verschiedene Herausforderungen wie etwa Kimawandel, Flugbesteuerung oder Kapazitätsbegrenzungen im Kontext des Inseltourismus und hob die Bedeutung des Tourismus für Berufe hervor, die nicht direkt oder indirekt mit dem Tourismus zusammenhingen, sondern tourismusinduziert seien, also bspw. hauptsächlich der Bevölkerung dienten, die sich jedoch überwiegend aufgrund der Tourismusindustrie dort niedergelassen habe. Florian Ortanderl von der Universität Bozen in Südtirol stellte den Natur-, Kultur- und Wirtschaftsraum der Alpen vor und widmete sich gleichermaßen den positiven wie auch den negativen Folgen, die der Tourismus für die Alpen hat. Friedl Krönauer, Mitglied der Naturschutzorganisation BUND, warf schließlich einen sehr kritischen Blick auf die touristischen Einflüsse und plädierte für bessere Naherholungsgebiete im urbanen Umfeld, um den Alpenraum zu schützen.

Das Highlight der Seminarwoche bildete die Exkursion in die bayrischen Alpen. Im Gespräch mit Philipp Holz von der Zugspitzregion in Garmisch-Partenkirchen erfuhren die Teilnehmenden, wie die Zugspitzregion versucht, den Tourismus vor Ort nachhaltiger und zukunftsfähiger aufzustellen. So habe durch die Corona-Pandemie ein Umdenken zu mehr Nachhaltigkeit und Besucherlenkung in der Zugspitzregion, die während der Pandemie immer wieder durch Proteste der Bewohnenden auffiel, stattgefunden. Eine Abschaffung bzw. Stop des Tourismus sei keine nachhaltige Lösung für den Alpenraum, vielmehr bräuchte es wohlüberlegte Konzepte, die in Kooperation mit allen Stakeholdern vor Ort entstehen. Am Eibsee am Fuße der Zugspitze sprach Rangerin Michaela Wölfe über die Herausforderungen einer touristischen (Über-)Nutzung sprach, die auch der Eibsee als eine der stark frequentierten Sehenswürdigkeiten der Region zunehmend leidet. Frau Wölfe sprach über die konkreten Probleme vor Ort und diskutierte mit den Teilnehmenden über verschiedene Besucherlenkungs- und Begrenzungsmaßnahmen. Die unterschiedlichen Perspektiven und Wahrnehmungen der Anwesenden verdeutlichten eine der Kernherausforderungen des Destinationsmanagements: die Diversität der Stakeholdergruppen mit deren zahlreichen, unterschiedlichen Interessen sind und der oftmals subjektiven Wahrnehmung und Interpretation von Fakten und Entwicklungen. Eine der grundlegenden Erkenntnisse des Tages war, dass es im Tourismus häufig an einer passenden und zielgerichteten Gesetzgebung und Kommunikation mangelt.

Basierend auf den vielfältigen Eindrücken des Seminars waren sich die Teilnehmenden letztlich einige, dass der Alpenraum für alle zugänglich sein sollte – allerdings nur unter Berücksichtigung der Prinzipien der (sozialen, ökoligischen und ökonomischen) Nachhaltigkeit, denn nur so würde der Raum langfristig erhalten bleiben. Trotz aller Herausforderungen habe der Tourismus das Potenzial, einen Raum positiv zu beeinflussen und so Gäste und Einheimische näher zusammenzubringen. Nachhaltiger Tourismus kann nur durch eine integrierte Destinations- und Lebensraumentwicklung mithilfe von Partizipation gelingen. Trotzdem gibt es im Tourismus keine „One Size Fits All“-Lösungen, da jede Destination mitsamt ihrer geographischen, klimatischen und infrastrukturellen Umgebung einzigartig ist, sodass es in jedem Ort spezifische Lösungen braucht, die von Gesetzgebung und Destinationsmanagement getragen werden müssen.