Reizthema Overtourism: "Man muss den Gästen Alternativen bieten“

Harald Pechlaner zu Lösungen in der Overtourism Debatte im Interview mit dem "Reise vor9 Magazin".

Gibt es einen gemeinsamen Nenner, unter dem sich die Ursachen für Proteste gegen zu viel Tourismus zusammenfassen lassen?

Pechlaner: Nein. Man muss sich schon die Mühe machen, die standortspezifischen Faktoren jedes einzelnen touristischen Zielgebietes zu betrachten. In Städten wie Venedig, Barcelona oder Palma de Mallorca sind die Ursachen sicher ähnlich, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung. Low-Cost-Airlines, Kreuzfahrtschiffe und neue Angebotsformen wie Airbnb tragen zusammen dazu bei, dass der Tourismus als zu viel wahrgenommen wird. Aber solche Phänomene gibt es auch im ländlichen Raum, und die haben mit den genannten Faktoren nichts zu tun.

Womit hängen Sie dort zusammen?
Lassen Sie mich ein Beispiel aus meiner Südtiroler Heimat nennen. In den Sommermonaten, wenn Italiener, Österreicher und Deutsche Ferien haben, sind unsere Passstraßen hoffnungslos überlastet. Zwar ist es bei uns nicht zu aggressiven Protesten gekommen, aber es wird bereits seit mehr als einem Jahrzehnt darüber diskutiert. Trotzdem hat es bis zu diesem Jahr gedauert, dass konkrete Maßnahmen dagegen ergriffen wurden.

Was ist in diesem Jahr passiert?
Jeden Mittwoch im Juli und August war der Zugang zum Sellajoch von neun bis 16 Uhr für den Individualverkehr mit Pkw gesperrt. Nur Fußgänger, Fahrradfahrer, Fahrzeugen für den Transport von Menschen mit Behinderung, öffentliche Verkehrsmitteln und Elektrofahrzeuge durften die Straße passieren. Gleichzeitig fanden an diesen Tagen Veranstaltungen statt, zum Beispiel Wanderungen, Vorträge und kulinarische Events.

Das Problem ist damit aber nicht gelöst…
Nein, aber als Pilotprojekt, an dem mit Trentino und Südtirol gleich zwei verschiedene Regionen mit im Boot waren, hat solch eine Maßnahme eine Signalwirkung. Ich gehe davon aus, dass das Projekt kein Einzelfall bleibt.

Was können andere Destinationen davon lernen?
Die konkreten Maßnahmen lassen sich natürlich nicht beliebig übertragen. Aber es gibt einige Grundregeln, die wichtig sind. So ist es notwendig, alle wichtigen Akteure in den Dialog einzubeziehen, um dann gemeinsam Maßnahmen zu beschließen. Das ist mühsam, aber unvermeidlich. Und bei den Maßnahmen sollte es sich nicht um simple Verbote handeln, sondern zugleich sollten den Gästen Alternativen geboten werden – wie in diesem Fall durch die Events und durch Informationen zu umweltfreundlichen Transportmöglichkeiten.

Das Gespräch führte Christian Schmicke