Tourismus als Schlüssel für lebenswertere Städte - Ingolstadt, Nürnberg und Augsburg im Fokus

Rathausplatz Ingolstadt
© Ingolstadt Tourismus

Moderner Tourismus umfasst weit mehr als Hotels, Sehenswürdigkeiten oder Busparkplätze und kann im besten Fall Städte und Regionen langfristig lebenswerter machen. Das zeigt ein Forschungsprojekt der KU rund um die Frage, wie Gastlichkeit als strategisches Prinzip in der Stadtentwicklung genutzt werden kann. Ingolstadt war dabei neben Augsburg und Nürnberg eine der drei untersuchten Metropolregionen.

Gefördert durch das Bayerische Zentrum für Tourismus erarbeitete der Lehrstuhl für Tourismus der KU rund eineinhalb Jahre lang neue Impulse für zukunftsfähige Städte. Grundlage war das Modell des „Ökosystems der Gastlichkeit“, das die Lebensraumentwicklung für Touristen und Einheimische zusammendenkt. Tourismus könne damit zu einem „Agent des Wandels“ werden, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Harald Pechlaner, weil er Akteure aus Verwaltung, Kultur, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringe, die sonst kaum Berührungspunkte hätten. „Gemeinsames Ziel ist eine Kultur der Lebensqualität und da verschwimmen die Grenzen zwischen Touristen und Einheimischen.“ Gerade in Zeiten knapper Kommunalfinanzen sei es auch für den Tourismus selbst wichtig, breiter zu denken – denn reine Tourismusthemen seien freiwillige Leistungen und damit nachranging. Das unterstreicht auch sein Mitarbeiter Felix Hiemeyer: „Tourismus ist kein Add-On in einer Stadtentwicklung, sondern immer mitzudenken als ermöglichender Faktor für vielerlei Angebote.“

Diesem interdisziplinären Gedanken folgend startete das KU-Forschungsprojekt im September 2023 mit einer Analyse der bestehenden Stadtentwicklungskonzepte von Ingolstadt, Augsburg und Nürnberg. In Seminaren mit Studierenden untersuchte das Projektteam zudem die jeweils vorhandenen Netzwerke. Herzstück des Projekts waren Regional-Workshops: In den drei beteiligten Städten wurden die lokalen Akteure zum Austausch eingeladen – vom Direktor des Sterne-Hotels bis hin zum Graffiti-Künstler. Im Fokus standen drei Handlungsfelder, die zuvor in einer Umfrage unter den Akteuren als besonders relevant identifiziert worden waren: Die bewusste Gestaltung von Atmosphäre, die mehrdimensionale Nutzung von Räumlichkeiten sowie neue Freizeitaktivitäten an der Schnittstelle von Natur und Urbanität. 

Treppenhaus im renovierten Georgianum
Ein besonderes Augenmerk des Ingolstädter Regionalworkshops galt der Integration und Wiederbelebung von historischen Räumen - wie bereits erfolgreich geschehen im Georgianum.

In Ingolstadt kooperierte die KU mit der IFG Ingolstadt, vertreten durch Valentin Herbold. Im Regionalworkshop stand der Wunsch nach mehr Naturnähe und der verstärkten Einbindung der Flüsse Donau und Schutter ebenso im Mittelpunkt wie die Problematik der Verkehrsbelastung und der Leerstände. Ein besonderes Augenmerk galt der Integration und Wiederbelebung von historischen Räumen. KU-Professor Harald Pechlaner sieht hier viel Potential: „Ingolstadt kann eine hochinteressante Tourismusstadt sein, wenn man ihre Geschichte, ihre Transformation sichtbar macht – von der Festungsstadt bis zur Autostadt und dem, was künftig noch kommt.“

Kooperationspartner in Augsburg war die Regio Augsburg Tourismus, vertreten durch Tourismusdirektor Götz Beck. Zentrale Themen des Regionalworkshops waren Aufenthaltsqualität, gemeinschaftlich genutzte Flächen und quartiersübergreifende Zusammenarbeit. Die Workshop-Teilnehmer befassten sich insbesondere mit der Vielfalt der Stadtgesellschaft, der prächtigen Renaissancearchitektur und der Rolle von Wasser in der Stadt. Erste Konzepte entstanden unter anderem zu nutzungsdurchlässigen Innenhöfen und partizipativen Freizeitangeboten.

In Nürnberg war die Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg, vertreten durch Yvonne Coulin, Partner der KU. Im Regionalworkshop war zunächst Thema, wie sich Lichtkonzepte und Verkehrslärm auf das Lebensgefühl in der Altstadt auswirken. Einen besonderen Fokus legten die Teilnehmenden auf die Entwicklung von generationsübergreifenden Workation- und Coworking-Angeboten, Freizeitaktivitäten mit Naturbezug und die Möglichkeit einer Renaturierung der Pegnitz.

Felix Hiemeyer (links) und Harald Pechlaner
Felix Hiemeyer (links) und Prof. Dr. Harald Pechlaner

Die Ergebnisse aus allen drei Regionalworkshops führte ein Synthese-Workshop am Zukunftscampus der KU im Ingolstädter Georgianum zusammen. „Traditionell denken wir Städte nur aus Funktionen heraus, nicht aus der Atmosphäre. Doch genau das brauchen wir für mehr Lebensqualität“, nennt Pechlaner als eine wichtige, Stadtgrenzen überschreitende Erkenntnis. Sowohl Ingolstadt als auch Augsburg und Nürnberg verfügten über eine Vielzahl historischer Gebäude und Strukturen, die durch gezielte Beleuchtung besser in Szene gesetzt werden könnten. Wasser in Spielplätze und Parks zu integrieren und den Zugang zu öffentlichen Gärten ganzjährig zu erleichtern, waren weitere gemeinsame Punkte. Auch die Idee, statische Infotafeln an historischen Bauten durch Virtual-Reality-Anwendungen zu ergänzen, stieß auf breiten Zuspruch. 

Was die drei Städte nun mit den Ergebnissen des Forschungsprojekts anfangen, liegt bei ihnen. Felix Hiemeyer hofft, dass die partizipative Struktur des Projekts hier hilfreich ist: „Die Verantwortlichen für Stadtplanung und Tourismus haben wir von Beginn an einbezogen, so dass die entstandenen Ideen auch ihre eigenen Ideen sind.“ Auch Projektleiter Harald Pechlaner sieht in den Ergebnissen eine ideale Arbeitsgrundlage: „Für die Kommunalpolitiker liegen hier große Chancen, denn es hat sich gezeigt, dass es in allen drei Städten einige wenige Punkte sind, wo man ansetzen muss, um deutlich mehr Lebensqualität zu bekommen – für Touristen, aber eben insbesondere auch für die Einheimischen.“