Wie funktioniert nachhaltiger Tourismus? Exkursion der Masterstudierenden nach Südtirol

In guter Tradition sind die Erstsemester des Masterstudiengangs „Tourismus und nachhaltige Regionalentwicklung – Management und Geographie“ zusammen mit dem Lehrstuhl Tourismus / Zentrum für Entrepreneurship vom 15. – 17. Dezember 2023 nach Südtirol gereist, diesmal in den Vinschgau.

Durch die Besuche abwechslungsreicher Attraktionspunkte und in der Diskussion mit inspirierenden Persönlichkeiten sowie Leistungsträgern des Südtiroler Tourismus haben die Studierenden gleich zu Beginn ihres Studiums die Besonderheiten einer touristischen Destination kennengelernt und ihr Wissen erweitert.

Vom Reschenpass kommend wurden die Exkursionsteilnehmenden von einem sehr bekannten Attraktionspunkt Südtirols, dem Kirchturm im Reschensee, Symbol für das versunkene Dorf, begrüßt, bevor die Masterstudierenden von Kurt Sagmeister, Head of Product IDM Südtirol (https://www.idm-suedtirol.com/de/), in Glurns empfangen wurden. Dort haben sie erfahren, dass es im Tourismus nicht mehr um klassische Produktentwicklung, sondern vielmehr um die tourismusorientierte Gestaltung des Lebensraumes geht, was bei etwa 550.000 Einwohnern in Südtirol mit 7.941.112 Gästen eine Herausforderung sein kann. 518.947 Ankünfte hat der Vinschgau zu verzeichnen und unterliegt, wie das gesamte Südtirol, dem seit zwei Jahren geltenden sogenannten Bettenstopp, d. h. es darf kein quantitativer Bettenzuwachs mehr stattfinden. Hintergrund ist u. a. das veränderte Tourismusbewusstsein, verbunden mit der Frage, wie sehr die lokale Bevölkerung hinter dem Tourismus steht. In einer so tourismusintensiven Region kann man demnach lernen, wie in den einzelnen Ferienregionen versucht wird, die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung mit jenen der Gäste abzustimmen. Die Studierenden haben außerdem erfahren, dass der Vinschgau als Experimentierraum Südtirols gilt, weil viele Innovationen in diesem Tal nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch gesellschaftlicher Natur sind, mit viel Reflexionsfähigkeit und Kreativität bei der Umsetzung neuer Lebensführungen.

Im Hotel Das Paradies (https://www.hotelparadies.com/) wurden die Masterstudierenden von Andreas Pernthaler, einem Vertreter der Inhaberfamilie Pirhofer, willkommen geheißen. Neben den klassischen Bereichen eines Hotelbetriebes, der ein Ganzjahresangebot entwickelt, konnten die Studierenden erfahren, dass nicht erst seit der vergangenen COVID-Gesundheitskrise bei den Gästen ein sehr großer Bedarf nach Begegnung gegeben ist, und die Hotelbar ist in diesem Hotel gewissermaßen im Zentrum des Geschehens und erfüllt diese Funktion als Ort der Begegnung weit über die klassische Funktion hinaus.

Im Anschluss sind die Studierenden in das Skigebiet Sulden und mit der Seilbahn bis zur Bergstation (https://www.seilbahnensulden.it/) gefahren, und haben interessante Einblicke im Gespräch mit Erich Pfeifer, Präsident und Geschäftsführer der Seilbahnen Sulden, Nadja Desiree Hutter, Präsidentin der Tourismusgenossenschaft Ferienregion Ortlergebiet im Nationalpark Stilfserjoch, sowie mit Miriam Pichler, Direktionsassistentin Ferienregion Ortlergebiet, erhalten. Fragen des Klimawandels sowie der Entwicklung des Angebotes für Einheimische und Gäste standen dabei im Vordergrund.

Im Gespräch mit Philipp Reinstadler, Hotelier des Hotels Cristallo (https://www.cristallosulden.it/), wurde u. a. auf die Schwierigkeiten eines Familienbetriebs hingewiesen, beispielsweise in Bezug auf die Betriebsnachfolge. Die COVID-19-Pandemie hat dazu geführt, dass die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden gestiegen ist.

Ein weiterer Programmpunkt war der Besuch von Stilfs Dorf (www.stilfs.it), wo Daria Habicher und Roland Angerer Informationen zum Projekt zur Dorfentwicklung, finanziert aus dem EU-Wiederaufbaufonds (PNRR), präsentiert haben. „Man muss einen Ort von der Zukunft her denken.“ (Daria Habicher) Bei diesem Projekt geht es um Resilienz, nämlich um Klimaresilienz, Kulturresilienz und Wirtschaftsresilienz.

In der BASIS Vinschgau Venosta (https://basis.space/), einem Verein für transdisziplinäre Förderung und Bildung in Wirtschaft, Kultur und Sozialem, wurden die Studierenden von Vorstandsmitglied und „Place-Shaker“ Hannes Götsch durch die Räumlichkeiten einer ehemaligen Kaserne geführt. Dieses branchenübergreifende Konzept in einem ländlichen Einzugsgebiet bietet Freiräume für Kreativität und New Work, und soll die Bevölkerung zur Gestaltung ihres Lebensraumes sowie junge Menschen motivieren, nach ihrem Auslandsstudium wieder in den Vinschgau zurückzukehren und neue Ideen als Startups umzusetzen.

Ein weiteres Highlight war der Besuch des Skigebietes Langtauferer Tal. Dort wurde zunächst der Einzelstart des Langlaufrennens Ski Classics – La Venosta  (https://skiclassics.com/events/pro-tour/la-venosta-itt/) mitverfolgt, bevor mit Franz Alfred Prieth, Bürgermeister von Graun in Vinschgau, Christian Maas, Präsident der Seilbahnen Schöneben-Haideralm, Manuela Wallnöfer, Ortsbäuerin Südtiroler Bäuerinnenorganisation – Ortsgruppe Langtaufers, sowie Gerald Burger, Geschäftsführer Tourismusverein Ferienregion Reschenpass, zu Fragen einer nachhaltigen Regionalentwicklung diskutiert wurde. Die Ferienregion hat mit dem Skigebiet Schöneben-Haideralm ein attraktives Angebot für den Wintersport, während im Langtauferer Tal das sanfte Angebot für den Winter und Sommer im Vordergrund steht.

Den Abschluss der Kennenlernfahrt bildete der Besuch des Hotels DAS GERSTL (https://www.dasgerstl.com/). Dort wurden die Studierenden von Hotelier Lukas Gerstl empfangen und durch das Hotel geführt, bevor er in einer Präsentation weitere Einblicke in das Management des familiengeführten Hotelbetriebes gegeben hat. Ein spezielles Projekt ist „R 30 – local products“, ein engmaschiges Netzwerk von bäuerlichen Zulieferbetrieben für deren regionale Produkte, die im Hotel in die Gastronomie einfließen. Viele Betriebe aus der kleinteiligen Landwirtschaft bekommen auf diesem Wege planbare Absatzmöglichkeiten für deren saisonalen Produkte, und der Hotelbetrieb kann aufgrund der nachweisbaren Regionalität der landwirtschaftlichen Produkte den Wert des Urlaubs steigern.

Der Vinschgau steht ohne Zweifel für eine Form von Tourismus in Südtirol, welche die Belange der Bevölkerung und der Region in die Überlegungen zur Entwicklung stark miteinbezieht. Tourismus- und Regionalentwicklung gehen Hand in Hand.

Der Lehrstuhl Tourismus-Zentrum für Entrepreneurship der KU bedankt sich sehr herzlich, auch im Namen der Masterstudierenden, bei allen lokalen TourismusexpertInnen, die diese erlebnisreiche und beeindruckende Exkursion ermöglicht haben.

Autoren: Madlen Schwing & Harald Pechlaner