Ein Weltphilosoph zu Gast in Eichstätt: Kolloquium mit Jean-Luc Marion

Er zählt zu den bedeutendsten Philosophen der Gegenwart und ist eng mit Eichstätt verbunden: Jean-Luc Marion, emeritierter Professor an der Sorbonne, Mitglied der Académie française und Inhaber von Lehrstühlen in Paris und Chicago, ist am 27. und 28. November zum wiederholten Mal zu Gast an der KU. Anlass ist ein Kolloquium mit dem Titel „Phänomenologie der Offenbarung“, das sich mit Marions jüngstem Hauptwerk beschäftigt und mit dem für ihn charakteristischen Grenzgang zwischen Philosophie und Theologie.

Im Zentrum des Kolloquiums steht die deutschsprachige Erstübersetzung von Marions Buch „D’ailleurs, la révélation“ („Offenbarung – von anderswoher“, erscheint 2025 im Alber-Verlag). In diesem Werk entwirft Marion eine philosophische Theorie der Offenbarung, die die theologische Dimension des Begriffs ernst nimmt und sich zugleich mit der phänomenologischen Struktur auseinandersetzt. Offenbarung ist für den französischen Philosophen einerseits strukturelles Grundgerüst des Zusammenhangs, den er schon in seinem Werk „Gegeben sei“ mit dem Kernbegriff des „phénomène saturé“ gekennzeichnet hat. Gemeint sind damit Gegebenheiten, die aus dem ihnen kausal vorausgehenden Weltablauf unableitbar sind. Zugleich ist die christlich verstandene Realität des Offenbarungsereignisses für Marion der Schlüssel zum Verständnis des religiösen Wahrheitsanspruchs, der auch alle philosophische Rekonstruktion übersteigt. Mitveranstalter Prof. Dr. Walter Schweidler, bis 2023 Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie an der KU, weist im Vorfeld des Kolloquiums insbesondere auf Marions dezidierte Position zur Trinität hin: „Trinität macht für Marion das Wesen des christlichen Gottesbegriffs aus. Die trinitarische Struktur, dass Gott Mensch geworden ist, ist für ihn der Schlüssel zur Offenbarung.“

Im Rahmen des Kolloquiums werden Fachkolleginnen und -kollegen von Marion, aber auch der Übersetzer des Werks sowie der Verleger der deutschen Übersetzung über „Offenbarung – von anderswoher“ und seine Einordnung in das Gesamtwerk Marions sowie die gegenwärtige phänomenologische Forschung reflektieren und diskutieren. Die breite Öffentlichkeit ist zudem zum deutschsprachigen Abendvortrag „Phänomenalität der Offenbarung. Das Gleichnis und das Paradox“ von Jean-Luc Marion am Donnerstag, 27. November um 18 Uhr im Jesuitenrefektorium des Priesterseminars Eichstätt eingeladen.  

Für die KU ist die Veranstaltung ein weiterer Höhepunkt in der langjährigen Zusammenarbeit mit Jean-Luc Marion. Seit über 15 Jahren ist der Philosoph eng mit der Universität verbunden. Ursprüngliches Verbindungsglied ist Prof. Dr. Walter Schweidler. Er hatte Marion vor 25 Jahren in Rom kennengelernt und ihn 2012 erstmals für die Tagung „Christentum und Philosophie“ nach Eichstätt geholt. 2013 präsentierte er in Eichstätt seine ökonomische Theorie, im Jahr darauf hielt der Franzose einen viertägigen Meisterkurs mit KU-Nachwuchsforschenden. 2019 war er Hauptredner bei einer von KU und Sorbonne gemeinsam ausgerichteten Tagung über Descartes in Neuburg an der Donau. Marions Hauptwerk „Gegeben sei“ wurde auf Initiative von Walter Schweidler ins Deutsche übersetzt – ein Kernbeitrag zur Fruchtbarmachung von Marions Werk in Deutschland, wie Prof. Dr. Markus Riedenauer, Mitveranstalter des Kolloquiums und Inhaber des Lehrstuhls für Philosophische Grundfragen der Theologie an der KU, betont. Gemeinsam mit Walter Schweidler und Prof. Dr. Florian Bruckmann (Universität Flensburg) betreut er nun die deutsche Übersetzung von Marions Offenbarungswerk. 

„Die KU ist in Deutschland einer der wichtigsten Orte der Marion-Rezeption“, sagt Schweidler. Dass diese These stimmt, unterstreicht auch das aktuelle Kolloquium, das Gäste aus ganz Europa zur Auseinandersetzung mit Jean-Luc Marions Gedanken und Werk nach Eichstätt führt.