Ein kinderzentrierter Ansatz in der Tourismusforschung, die Schlüsselrolle von Prinzipien wie Safeguarding (Schutz) und Fürsorge in der Tourismusbranche sowie die Notwendigkeit verlässlicher und aktueller Daten – das waren die zentralen Themen, die im Rahmen des internationalen Forums „Safe Travels – Kinderschutz und nachhaltiger Tourismus“ in Rom aufgegriffen wurden. Die Veranstaltung versammelte Fachleute aus dem Tourismussektor und darüber hinaus an der Päpstlichen Universität Gregoriana.
Am Vormittag wurden verschiedene Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven präsentiert, die neue Impulse für das Verständnis der Verbindung zwischen Tourismus und Kinderschutz lieferten. Anschließend fand eine Podiumsdiskussion mit den Generaldirektoren von Federalberghi und Federturismo statt. Der Nachmittag war Fallstudien und einer offenen Diskussion mit allen Referierenden gewidmet.
Nach den einleitenden Worten des Rektors der Päpstlichen Universität Gregoriana, Mark Lewis, überbrachte Hans Zollner, Direktor des Instituts für Anthropologie, die Botschaft von Michele Gianola, Direktor des Büros für Freizeit, Tourismus und Sport der Italienischen Bischofskonferenz: Es brauche kontinuierliche Fortbildung für all jene, die mit Kindern arbeiten, sowie einen Austausch von Fachwissen zwischen den Institutionen.
In seinem Eröffnungsvortrag betonte Harald Pechlaner, Leiter des Center for Advanced Studies und Gründungsdekan der School of Transformation and Sustainability der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, dass Italien zwar ein weltweit führendes Reiseziel mit relativ hohen Sicherheitsstandards sei, es jedoch mehr Engagement brauche, um Risiken für Kinder – etwa im Zusammenhang mit Sextourismus oder Ausbeutung – besser zu erkennen und zu minimieren: „Unser Ziel ist es, Synergien zwischen Forschungseinrichtungen, Kirche, NGOs und der Tourismuswirtschaft zu schaffen, um den Dialog und den Austausch zum Schutz und Wohl von Kindern zu fördern.“
Alessandra Priante, Präsidentin der italienischen Tourismusagentur ENIT, betonte die zentrale Rolle der Sensibilisierung: „In diesem Bereich ließe sich viel mehr tun – etwa durch eine Aktualisierung des Globalen Ethikkodex für den Tourismus und durch ein besseres Verständnis der Auswirkungen von Krisen und Konflikten, die den Tourismusmarkt verzerren und Missbrauch sowie Ausbeutung von Kindern Vorschub leisten.“ Insbesondere hob Priante die mangelnde Datengrundlage und Vorbereitung hervor, um das Phänomen zu erfassen und wirksam zu bekämpfen.
Würde des Menschen zwischen Schutz und Fürsorge
Den Auftakt der Vortragsreihe bildete der Input von Guillaume Landry, Geschäftsführer von ECPAT International – einem globalen Netzwerk, das sich gegen jegliche Form sexueller Ausbeutung von Kindern einsetzt. „Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur Plastikflaschen zu recyceln – ohne den Schutz von Kindern gibt es keine echte Nachhaltigkeit“, so Landry. Wo immer Kinder anwesend seien, bestehe ein reales Risiko. Die Tourismusbranche müsse daher mehr Verantwortung übernehmen. Ein konkretes Instrument zur Bekämpfung von Missbrauch ist der Verhaltenskodex, den ECPAT bereits 1996 eingeführt hat und der von Unternehmen freiwillig unterzeichnet werden kann.
Für Hans Zollner besteht die eigentliche Herausforderung im Kinderschutz darin, einen Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen den Akteuren zu fördern. Notwendig seien unter anderem: klare Richtlinien zur Personalgewinnung, Einbindung der Eltern, effektive Meldesysteme, Zusammenarbeit mit Schutzinstitutionen sowie umfassende Bildungs- und Schulungsmaßnahmen. „Das Prinzip des Safeguarding bedeutet, sichere Räume, Prozesse und Beziehungen zu schaffen, in denen Kinder und andere verletzliche Gruppen jederzeit vor Missbrauch geschützt sind.“ Das Institut für Anthropologie stehe zur Verfügung, um gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Tourismusakteuren spezifische Studien in diesem Bereich zu entwickeln.
Ein weiterer zentraler Begriff – Fürsorge – wurde von Elisa Piras, Forscherin am Center for Advanced Studies von Eurac Research, eingebracht. In ihrer Präsentation stellte sie eine aktuelle Studie vor, in der sie gemeinsam mit Giulia Isetti, ebenfalls Forscherin am Center for Advanced Studies, die Rechtslage sowie globale und italienische Daten zu Kindesmissbrauch und insbesondere zu Sextourismus analysiert hat. Sie plädierte für die Integration eines Care-Ansatzes in touristische Praktiken – ein Konzept, das aus der feministischen Theorie stammt und auf der Anerkennung von Bedürfnissen und reparativen Beziehungen basiert. „Dies könnte dazu beitragen, vom gewinnorientierten Tourismus zu einem wirklich nachhaltigen und verantwortungsvollen Tourismus überzugehen, der sich an den Bedürfnissen des Menschen orientiert.“
Antje Monshausen, Direktorin von ECPAT Deutschland, zeigte die vielfältigen Arbeitsbereiche ihrer Organisation auf – von Prävention über Schulung bis zur Kooperation mit der Privatwirtschaft und Erstellung von Informationsmaterial. Als Best Practice nannte sie u.a. neue Richtlinien des Reiseveranstalters DERTOUR, der auf bestimmte Aktivitäten (wie Schulbesuche oder Tanzveranstaltungen) zugunsten sozial engagierter Projekte verzichtet. Unternehmen könnten Risikofaktoren erkennen, Verfahren etablieren, Mitarbeitende schulen und Gäste informieren.
Kinderschutz im italienischen Tourismussektor
Alessandro Nucara, Generaldirektor von Federalberghi, unterstrich die Bedeutung von Bewusstseinsbildung und Schulung und kündigte an, den Verhaltenskodex innerhalb seiner Organisation zu fördern. Während das Registrierungssystem in Hotels gut funktioniere und Kinder schütze, gelte dies nicht immer für neue Formen der Unterbringung – ein Risiko, das es zu adressieren gelte. Auch Antonio Barreca, Generaldirektor von Federturismo, betonte: „Kriminelle Phänomene wie Sextourismus lassen sich nur durch Gesetze, Sensibilisierung und Bildung bekämpfen.“ Federturismo investiere seit Jahren in die Schulung von Personal, um Risikofaktoren zu erkennen und Täterinnen und Täter zu identifizieren.
Fallstudien und Best Practices
Der Nachmittag war Fallbeispielen und Diskussionen gewidmet. Marko Koščak, außerordentlicher Professor an der Fakultät für Tourismus der Universität Maribor, forderte eine stärkere Einbindung von Kindern und Jugendlichen in die Zukunftsplanung touristischer Destinationen: „Unsere vergleichende Studie in sechs europäischen Regionen zeigt: Unter-18-Jährige wurden kaum zu ihren touristischen Erfahrungen befragt oder in die Entwicklung entsprechender Maßnahmen einbezogen.“
Weitere Beiträge kamen von Bernard Malasi, Priester der Diözese Malindi (Kenia), und Thais Loera Ochoa, Exekutivsekretärin von SIPINNA (Kinderschutzsystem) im mexikanischen Bundesstaat Jalisco. Malasi erläuterte, wie das Safeguarding-Prinzip mit dem pastoralen Auftrag der Kirche verbunden sei. In Malindi wurde bereits 2005 eine Schulungseinrichtung zu diesen Themen gegründet. Loera Ochoa betonte die Bedeutung eines integrierten Systems, das öffentliche Institutionen, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Unternehmen vernetzt – für wirksamere Maßnahmen und eine höhere gesellschaftliche Sensibilität.
Die Abschlussdiskussion
In der abschließenden Podiumsrunde diskutierten Harald Pechlaner, Hans Zollner und Alessandro Nucara gemeinsam mit Yasmin Abo Loha (Generalsekretärin ECPAT Italien), Federica Giannotta (Advocacy-Leiterin Terre des Hommes Italien) und Kerstin Dohnal (Projektleiterin bei ECPAT Österreich). „Daten zu sammeln, reicht nicht. Safeguarding muss auf die politische Agenda – es braucht politische Lösungen“, betonte Federica Giannotta. NGOs hätten hier bereits vorbildlich gehandelt und verbindliche Kinderschutzrichtlinien eingeführt. Dem stimmte auch Kerstin Dohnal zu: „Gerade in Zeiten rascher Veränderungen muss Politik als treibende Kraft agieren – auch wenn die Privatwirtschaft mit ihrer Datenkompetenz eine zentrale Rolle spielt.“ Für Yasmin Abo Loha wäre es im italienischen Kontext wünschenswert, alle Akteure der Tourismusbranche an einen Tisch zu bringen, um einen langfristigen Prozess mit Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen anzustoßen: „Auch unter den zivilgesellschaftlichen Organisationen braucht es stärkere Vernetzung, um den Dialog, der vor der Pandemie begonnen wurde, wiederzubeleben.“
Zum Abschluss betonte Harald Pechlaner, dass der Tourismus Verantwortung übernehmen müsse: „Tourismus ist kein Opfer, sondern ein Akteur des Wandels.“ Ein glaubwürdiger und vertrauenswürdiger Tourismus müsse wirklich nachhaltig sein – auch im Hinblick auf den Schutz von Kindern. Zusammenarbeit sei dabei der Schlüssel. Ein Gedanke, den auch Alessandro Nucara teilte – die Branche sei bereit, sich einzubringen. Hans Zollner fasste die Diskussion prägnant zusammen: „Was wir brauchen, sind die drei K: Kompetenz, Kooperation und Konzentration/Fokus.“