Heidi Lehner ist Diplom-Ingenieurin der Landschaftsarchitektur und seit 2007 Geschäftsführerin der WGF Objekt Landschaftsarchitekten GmbH mit Sitz in Nürnberg. Sie kennt „draußen“ wie kaum jemand anderer, hat große Projekte wie den Adidas Campus gestaltet und lässt sich im Gespräch auch gerne auf das universitäre Terrain entführen.
Der Mensch ist Teil der Natur und fühlt sich als solcher. In unseren regulären Arbeits- und Wohnwelten sind wir dieser Natur sehr entfremdet. Natur im eigentlichen Sinne gibt es in Europa nur noch an wenigen Orten, z.B. in Naturparks. Das, was wir als Natur bezeichnen, ist im Grunde anthropogen geprägte Landschaft. Je mehr sich der Mensch von der Natur entfernt, desto größer wird sie in seiner Projektion zum Sehnsuchtsort. Das ist Romantik im eigentlichen Sinne. Es gibt immer mehr Angebote, bei denen durch Naturerlebnisse, Waldbaden, Barfußgehen im Freien und ähnliche Aktivitäten, Alltagsstress abgebaut und sogar psychische Erkrankungen geheilt werden sollen.
Unser Büro beschäftigt sich im Rahmen von Planungsaufträgen für Psychiatrische Kliniken sehr viel mit Therapie im Freiraum und Gartentherapie. Wir stellen dabei fest, dass Natur nachweisliche unterstützende Heilungsprozesse in Gang setzen kann und eine restaurative Kraft hat. Was uns eigentlich erschöpft ist die durch die Gleichförmigkeit erzwungene Nicht- Inanspruchnahme der Vielfalt unserer körperlichen und geistigen Kräfte. Neue Erfahrungen im Zusammenhang mit Landschaft sind also eigentlich das Wiederfinden unserer ursprünglichen synästhetischen Erfahrungen als bio-sozial-ökologisches Wesen, die uns verloren gegangen sind.
Im Prinzip kann man auch hier die Erfahrungen aus dem Psychiatriebereich anführen. Reize wie Düfte, Blütenfarben, Blattstrukturen oder das Lichtspiel der Laubkronen wecken das Interesse an Dingen, schärfen die Aufmerksamkeit und steigern dadurch das Aufnahme- und auch das Erinnerungsvermögen der Nutzer. Der Aufenthalt in einem solchen Erlebnis- und Bewegungsraum im Freien bietet auf diese Weise auch sehr gute Voraussetzungen für das Lernen und die Vermittlung von Lehrinhalten an einer Universität.
Der Freiraum eines Outdoor-Lernraumes muss also vielfältig gestaltet sein und eine gewisse Größe haben, damit man sich darin bewegen kann. Es sollte ein baumbestandener Park sein, in dem man aus der funktionalen Atmosphäre des Universitätsgebäudes abtauchen kann. Die fließenden Bewegungsmuster der Student I innen bestimmen die Form der befestigten und grünen Flächen. Das Wegemuster sollte mit dem freien Pflanzenwachstum überlagert sein. Wegebegleitende Sitzelemente und begehbare Inseln machen dann die fußläufigen Hauptbewegungslinien zu abwechslungsreichen Ereignisorten. Heimische Blütenpflanzen in den Wiesenflächen sollten spielerische Akzente setzen.
Ich denke Lernprozesse in authentischen Umfeldern und durch Lehrmethoden, die theoretisches Verständnis mit sinnlichem Erleben vereinen, sind stressfreier und erfolgreicher als unter konventionellen Bedingungen in Innenräumen. Auch Bewegung spielt hierbei eine wichtige Rolle.
In gestalteten Naturräumen macht das Ansprechen sämtlicher Sinne offener für die Rezeption von theoretischen Inhalten. Ästhetische Naturerfahrungen verschaffen Behaglichkeit und unterstützen menschliches Funktionieren. Somit bieten sie einen Kontext, in dem Informationen wirksam verarbeitet werden können. Außerdem unterstützen sie die Erholung von geistiger Ermüdung und machen hierdurch aufmerksamer. Der angestrebte Outdoor Campus der KU ist vor diesem Hintergrund sicher ein lohnendes Ziel zur Verbesserung von Lehr- und Lernprozessen.
Jeder Eingriff, jede Planung sollte in einen bestehenden Landschaftsraum den ‚Genius Loci‘ dieses Ortes berücksichtigen und mit einer fundierten Analyse starten. Ein wichtiger Aspekt ist hier die wertvolle Bestandsvegetation mit ihren Höhen, Kronentraufen und Wurzelbereichen, die man bei der Platzierung von Plätzen, Wegen und Sitzmöglichkeiten berücksichtigen sollte, um sie nicht zu schädigen.
Auch bestehende Blickbeziehungen und Bezüge zwischen Innen- und Außenräumen sollten beibehalten werden. Außerdem sind funktionale Erfordernisse wie Zuwegungen und Feuerwehrzufahrten zu berücksichtigen. Auf dieser Basis kann dann behutsam der Outdoor Lerncampus auf dem Gelände der KU entwickelt werden.